Predigten
- Predigten
Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
vor allem Ihr, liebe Konfirmanden,
werte Gäste im Tempel unseres Glaubens,
liebe Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche!
Als ob es gestern gewesen wäre. Ihr erinnert Euch sicher auch noch. Da hattet Ihr Euren ersten Kindergartentag – mancher in der Dammstraße, mancher woanders. Da hattet Ihr wohl auch Tränen in den Augen, weil Ihr Euch von Eurer Mama oder Eurem Papa vielleicht für einen ganzen Tag verabschieden musstet. Aber viele von Euch wurden dann in den Armen von Miriam Trapani getröstet, die auch wieder mit uns auf Konfifahrt war. Dann begann der Ernst des Lebens: mit einer Schultüte und einem vielleicht viel zu großen Schulranzen ging es in die Schule.
Und dann begann der Konfirmandenunterricht. Bei Euch vor vier Jahren in der Corona-Zeit, so dass wir am Anfang gar nicht viel Zeit miteinander verbringen konnten. Aber als wir dann richtig eingestiegen sind, musstet Ihr Euch daran gewöhnen, dass ich zu jedem Unterrichtsbeginn erst einmal abgefragt habe, was Ihr denn in der Schule gerade in Religion durchnehmt. Überrascht bis erschrocken war da meistens meine Reaktion.
Und dann stiegen wir ein, meistens hatte ich viel zu viel Material vorbereitet, da wir doch auch viel diskutiert haben und das ist auch gut so: der Glaube muss besprochen und diskutiert werden und nicht blind und unreflektiert auswendig gelernt sein.
Dass man viel Wissen braucht, um im Leben zu bestehen, habt Ihr auf den Konfifahrten erlebt: als wir miteinander Stadt-Land-Fluss gespielt haben und Ihr es vergeblich versucht habt, mich zu besiegen – aber Ihr seid nahe herangekommen mit den erreichten Punkten. Und so habe ich mir gedacht, ich halte eine Predigt über „Stadt-Land-Fluss des Lebens und des Glaubens“.
Als Stadt nehme ich Hanau. Hier seid Ihr mehr oder weniger groß geworden, hier geht Ihr zur Schule und hier entscheidet Ihr wohl auch, wie es mit Eurem Leben weitergeht. Ich habe versucht, Euch im Konfirmandenunterricht zu vermitteln, dass Ihr mit Gott an Eurer Seite keine Angst zu haben braucht, wohin Euch auch immer Euer Lebensweg führen wird. Wohin Ihr auch immer aufbrechen werdet, Gott ist mit Euch unterwegs und stärkt Euch den Rücken.
Dazu passend haben sich Nele und Maximilian auch ihren Konfirmationsvers gewählt, wenn es bei Josua heißt: „Habe ich Dir nicht gesagt: sei mutig und stark! Hab keine Angst und verzweifle nicht! Denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“ (Josua 1, 9)
Als Land nehme ich Deutschland. Denn wir leben hier in einem Land, in dem es uns doch eigentlich besser geht als wir es oftmals beschrieben bekommen. Während Eurer Konfirmandenzeit fing der Ukrainekrieg an und seit Oktober letzten Jahres, als Israel terroristisch angegriffen wurde, ist der Nahe Osten auch wieder ein Pulverfass. Ja, wir müssen dankbar sein, in diesem Land zu leben und jeder von uns kann seinen Teil dazu beitragen, dass wir friedlich und voller Respekt miteinander umgehen. Das lässt das Böse und Schlimme nicht verschwinden, aber es gibt ihnen weniger Raum und Möglichkeiten.
So passt der Konfirmandenspruch von Emilia und Simon sehr gut dazu, wenn der Apostel Paulus an die Römer schreibt: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ (Römer 12,21)
Als Fluss nehme ich den Main. Dieser Fluss entspringt im Fichtelgebirge und in der Fränkischen Alb und braucht 527km, um in Mainz in den Rhein zu münden. Schon seit den Kelten wird dieser Fluss als Wasserstraße benutzt, eine lange Zeit also, in der viel Wasser den Fluss heruntergeflossen ist, während die Welt sich weiter entwickelte.
An diesem Fluss wie an jedem Fluss kann man viel fürs Leben lernen. Es beginnt meist mit einem kleinen Rinnsal, wächst heran, überwindet Klippen und stürzt sich manchen Wasserfall herab. Mal geht es gemächlich, mal stürmisch. Aber jeder Fluss hat ein Ziel, vom Schöpfer vorgegeben und auf dem Weg dorthin bewässert er Wiesen und Felder, treibt Wasserkraftwerke an und dient damit den Menschen. Natürlich hat Wasser auch Gefahren, man kann untergehen oder gewaltige Wassermassen bringen Zerstörung. Wie eben im Leben auch nicht alles immer sicher ist.
Dass wir uns aber gerade in solch herausfordernden Zeiten auf Gott verlassen sollen, davon handelt Dein Konfirmationsvers, lieber Ryan, wenn es im Buch Exodus heißt: „Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe.“ (2. Mose 23,20)
Als Namen könnte ich jetzt jeden Eurer 11 Namen nennen. Eure Eltern haben damals sicherlich viel Zeit verwendet, um einen passenden für Euch auszusuchen. Manche haben auch sicherlich unter den Vorfahren gesucht, und Euch nach ihnen benannt, wenn sie in guter Erinnerung geblieben sind. Beim Namen werdet Ihr gerufen, mal liebevoll und mal strenger. Euer Namen macht Euch einmalig, selbst wenn es viele Namensträger gibt. An Euren Namen wird man sich erinnern und mit Eurem Namen wird man auch Eure Leistungen in Verbindung bringen. Deshalb ist es so wichtig, die Namen zu kennen und auch den Namen zu ehren und nicht in den Schmutz zu ziehen.
Passend zum Namen hat sich übrigens Johanna ihren Konfirmationsspruch ausgesucht aus dem Buch der Anfänge, der Genesis: „Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein.“ (1. Mose 12, 2)
Welches Tier passt nun? Auch hier möchte ich kein Spezielles nennen, denn da gibt es so viele, die uns alle in den Sinn kommen. Menschen können zum Beispiel stundenlang Videos von kleinen Katzen oder Hundewelpen anschauen. Mit Haustieren lernen Kinder im Kleinen, Verantwortung zu übernehmen, wenn sie zum Beispiel einen Hamster oder eine Maus haben. Doch da beginnt dann auch schon die Stimmung zweischneidig zu werden: was die einen süß finden, animiert andere zu einem Schreianfall. Oder so eine kleine Spinne verängstigt manche genauso wie andere ein Krokodil. Löwen mag man aus der Ferne bewundern, aber wehe man kommt den Zähnen zu nahe.
So ist es auch mit uns Menschen: manche sind lieb und manche angsteinflößend. Mit manchen kann man Spaß haben, andere bringen einen nur auf dumme Gedanken. Mit manchen Menschen kann man was Großartiges auf die Beine stellen, andere haben die Macht, einen Krieg anzuzetteln. Dennoch sollt Ihr offen sein und bleiben, wenn Ihr Euch Menschen aussucht, die Ihr auf Eure Lebensreise mitnehmen wollt im Freundeskreis und dann auch irgendwann in einer Partnerschaft.
Eine gute Handlungsanweisung finden wir übrigens im Konfirmationsvers von Paula, wenn es im 2. Timotheus-Brief heißt: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2 Timotheus 1,7)
Nun zum Beruf und was liegt da näher, als den Pfarrer zu nehmen. Ich werde es auch dieses Mal nicht versäumen, bei Euch Werbung zu machen, dass vielleicht doch eine oder einer von Euch in meine Fußstapfen tritt. Und Ihr hättet gute Aussichten, noch nie gab es so wenige Pfarrer auf so vielen freien Pfarrstellen.
Ihr werdet es Euch gut überlegen, welchen Beruf Ihr eines Tages ergreifen wollt. Und ich hoffe und wünsche Euch, dass Ihr einen findet, der zu Euch passt und der Euch Freude machen wird. Freude ist etwas anderes als Spaß: Freude ist etwas Inneres und Erfüllendes. Denn natürlich weiß ich, dass Schule oder auch der Beruf nicht jeden Tag Spaß machen. Manchmal kommt man mit einer schlechten Note nachhause und nicht jeder Arbeitsplatz ist vergnügungssteuerpflichtig.
Dass Ihr Euch aber nicht zu viele Sorgen vor der Zukunft macht, dass Ihr nicht schon abends nervös werdet, wenn Ihr an den nächsten Tag denkt, davon handelt der Konfirmationsvers von Dir, liebe Annika, wenn es im 1. Petrusbrief heißt: „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ (1. Petrus 5, 7) Und auch Du, liebe Atia, hast einen ähnlichen Vers, den wir im Psalter finden: „Der HERR ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?“ (Psalm 27,1a)
Und schließlich die Pflanze. Da nehme ich einmal den Baum. Bäume haben schon immer eine Faszination für uns Menschen gehabt, zumindest wenn es sich dabei nicht um einen Baum in Nachbarsgarten handelt, der uns nur Schatten spendet. Es ist doch erstaunlich, dass aus einem winzigen Samenkorn solch große Gewächse entstehen wie zum Beispiel der Mammutbaum, der über 80 Meter groß werden kann bei einem Durchmesser von über acht Metern. Vieles in unserem Leben entsteht im Kleinen und Verborgenen und braucht einige Zeit.
So ist es beim Sprechen und Schreiben, zunächst Stammeln und Krickeln, bis es ganze Sätze werden und man die Schrift lesen kann – das ist ja noch nicht bei allen bei Euch mit der Schrift der Fall. Oder beim Erlernen eines Instruments oder einer Sportart ist man auch nicht gleich ein Meister. Auch das Miteinander von Menschen braucht seine Zeit. Aber wenn man dann eines Tages Resümee zieht, kann man stolz auf sich und froh sein, was man geleistet und erreicht hat. Und das kann Euch dann niemand mehr nehmen.
So heißt es auch in Deinem Konfirmationsvers, liebe Marie, im Johannes-Evangelium: „und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.“ (Johannes 16, 22b)
Das war nun das Stadt-Land-Fluss des Lebens. Wie schaut es aber mit dem Stadt-Land-Fluss des Glaubens aus? Machen wir einmal einen Schnelldurchgang: Als Stadt nehme ich das himmlische Jerusalem, denn die Bibel sagt uns, dass dies das Ziel unserer Lebensreise ist und Gott dort abwischen wird all unsere Tränen und Freude sein wird. Es ist wichtig, dass Ihr dieses Ziel nicht vergesst, wenn Ihr Euch auf den Weg macht.
Als Land nehme ich das Gelobte Land, denn für jeden von uns hält Gott einen Platz bereit, hat er eine Idee, wie unser Leben ausschauen soll und wo es stattfinden kann. Fragt deshalb immer wieder auch Gott um Rat, wenn Ihr aufbrecht in Eure Zukunft. Und Ihr werdet vielleicht überrascht sein, auf welche Weise er Euch die Richtung zeigen wird.
Als Fluss nehme ich den Jordan, denn hier wurde Jesus getauft und er fing an das Evangelium von der Liebe Gottes zu verkünden. Auch Ihr seid getauft und heute bekräftigt Ihr die Taufe durch Euer eigenes Ja. Dieses Ja müsst Ihr aber jeden Tag aufs Neue sprechen, und dürft Euch darauf verlassen, dass Gott Euch niemals aus seiner Liebe entlassen wird.
Als Name nehme ich nun natürlich Jesus, weil Jesus immer eine gute Antwort ist. Und dies ist deshalb so, weil er uns gute Hinweise gibt, wie Leben gelingen kann und dass man auch in schwierigen Zeiten nicht aufzugeben braucht.
Beim Tier des Glaubens wird es nun etwas schwieriger. Die Schlange würde uns zu sehr ans Paradies erinnern, was die Botschaft ist, dass auch wir mancher Versuchung im Leben ausgesetzt sind. Hund ist auch nicht passend, da es in der Offenbarung den Hinweis gibt, dass die Hunde draußen bleiben müssen. Das Lamm ist passend, denn es verweist auf Jesus. In ihm leben und sind wir, mit ihm an unserer Seite ist so vieles möglich, was wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können.
Und nein, liebe Sienna, deinen Konfirmationsvers habe ich nicht vergessen, denn er passt an dieser Stelle eben sehr gut, wenn es im Markusevangelium eben heißt: „Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst! Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ (Markus 9,23)
Den Beruf würde ich an dieser Stelle überspringen, erinnere aber doch noch einmal an die Berufung zum Pfarrer …
Und schließlich die Pflanze. Was liegt da näher, als den Palmbaum zu nehmen, unter dem wir uns heute Morgen versammelt haben. Unter diesem Zeichen haben wir Euch an den Glauben herangeführt und mit diesem Zeichen entlassen wir Euch in den nächsten Abschnitt Eures Lebens. Unter diesem Zeichen versammeln wir uns, um Gott zu loben oder auch unser Leid zu klagen. Dieses Zeichen fordert uns auf, im Leben wie im Glauben immer mehr zu wachsen. Wie es eben im Psalmisten heißt: „Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum!“
Heilige Gottes, das war es nun fast mit meiner Predigt. Und es ist gute Sitte, dass ich seit 17 Jahren am Ende immer einmal kurz auf mein eigenes Leben eingehe. Ich wurde vor fast fünf Dekaden an Pfingsten in einem unbedeutenden Dorf namens Lorsbach in Hessen am Schwarzbach geboren. Auch meine Eltern haben die Tradition fortgeführt und mit meinem Zweitnamen an Wilhelm von Oranien erinnert, der den Calvinismus in den Niederlanden verteidigte. Von meinem Berufswunsch Pfarrer waren zunächst nicht viele überzeugt, die Berufsberatung schlug sogar vor, ich sollte Gärtner werden, zumindest bin ich ja nun in der Gärtnerstraße gelandet.
Nach all diesen Jahren meiner Glaubensreise, bin ich nicht immer stark, sondern manchmal auch unendlich schwach im Glauben. Ich habe meine Zweifel und auch über meinem Leben scheint nicht immer die Sonne Gottes. Aber ich habe dennoch Gottvertrauen, wie es mir mein eigener Konfirmationsvers sagt, der im 86. Psalm steht: „Weise mir, HERR, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte.“
Ja, geht auch Ihr Euren Weg, seid Ihr selbst, werdet erwachsen, aber bleibt auch irgendwie Kinder im Herzen. Geht hinaus in diese Welt, entdeckt das Stadt-Land-Fluss Eures eigenen Lebens und seid dabei gewiss, hier, an diesem Heiligen Ort, seid Ihr immer willkommen.
Im Namen Jesu Christi, AMEN!
Daran glaube ich, davon predige ich und bezeuge es im Namen Jesu Christi.
- Predigten
Liebe Gemeinde,
besonders natürlich Sie,
lieber Herr Keller und alle Johanniter,
Gäste im Tempel unseres Glaubens,
als ich mich auf diesen Gottesdienst vorbereitete und nach einem passenden Bibeltext suchte, wurde ich von zwei Fragen geleitet: soll es um Leitung und Aufgabenverteilung gehen oder soll es ein Erinnern an die Nächstenliebe sein, die der Ursprung der johannitischen Bewegung im diakonischen Bereich bildet. Ich habe mich für letzteres entschieden, und ein Gleichnis Jesu ausgesucht, welches wir alle wohl kennen und auch die Aufgabenverteilung berührt, aber hören wir es zunächst selbst, es braucht ja gar nicht viel Erläuterung:
Im Lukasevangelium 10. Kapitel, heißt es: Die Frage nach dem ewigen Leben. Der barmherzige Samariter
25 Und siehe, da stand ein Gesetzeslehrer auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe? 26 Er aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du?
27 Er antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst« 28 Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tu das, so wirst du leben. 29 Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: Wer ist denn mein Nächster?
30 Da antwortete Jesus und sprach: Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und machten sich davon und ließen ihn halb tot liegen. 31 Es traf sich aber, dass ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und als er ihn sah, ging er vorüber. 32 Desgleichen auch ein Levit: Als er zu der Stelle kam und ihn sah, ging er vorüber. 33 Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam dahin; und als er ihn sah, jammerte es ihn; 34 und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn.
35 Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir’s bezahlen, wenn ich wiederkomme.
36 Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste geworden dem, der unter die Räuber gefallen war? 37 Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Da sprach Jesus zu ihm: So geh hin und tu desgleichen!
Meine Lieben! Noch Fragen? Eigentlich doch erstmal keine. Eine so wunderbar klare Geschichte, wohltuend genau darin, wohltuend selbsterklärend. Und allseits bekannt, nicht wahr? Der barmherzige Samariter, sprichwörtlich kollektives Gedankengut. Barmherziger Samariter sagen reicht, und schon weiß jeder Bescheid. Oder doch nicht?
Sie sind ja heute die Johanniter hier in dieser Kirche und nicht der Arbeiter-Samariter-Bund – wobei die Aufgaben sich ja ähneln. Sie sind aber auch Insider, Teil einer religiösen Blase vielleicht, die wir außerhalb nicht mehr als selbstverständlich ansehen können. Wir können inzwischen ahnen, was es für eine Gesellschaft bedeuten könnte, wenn sie ihren Kanon an verbindenden Geschichten verliert, wenn sie Malteser, Johanniter und Samariter nicht mehr auseinanderhalten kann und am Endeder barmherzige Malteser eher im Spirituosen-Regal vermutet wird.
Früher konnte man sich noch darauf verlassen, dass jeder mindestens drei biblische Geschichten in- und auswendig konnte: der verlorene Sohn, die Geschichte von der Ehebrecherin mit dem markanten „wer unter Euch ohne Sünde, werfe den ersten Stein“ und der barmherzige Samariter.
Mancher sagt, dass eine christliche Dogmatik in der Regel nicht mehr als diese drei Geschichten braucht: Annehmen, Zuhören und Vergeben. Barmherzig sein. Eigentlich doch auch Schlaglichter über johannitisches Arbeiten: Den Menschen so zur Seite zu stehen, wie sie eben gerade sind, ohne Ansehen der Person, nur den reinen Menschen im Blick. Menschen aufzurichten und wieder auf die Lebensspur zu bringen – ich denke da nur an das wichtige Angebot, Lacrima für trauernde Kinder, die doch auch wieder lachen sollen. Und schließlich barmherzig sein – Menschen am Rand Aufmerksamkeit zukommenlassen und sie nicht links liegen lassen.
Deshalb brauchen wir solche Erzählungen, Glaube und Religion leben darin, kann sich vermutlich gar nicht anders ausdrücken. Und es tut sicherlich gut, an Tagen einer eigentlich rein formalen Einführung in ein Amt sich der Basis zu erinnern, auf dem unser aller diakonisches Tun ruht.
Und ich möchte mich als Pfarrer da auch gar nicht ausnehmen. Das Auseinanderleben von professioneller Diakonie – und darunter möchte ich auch einmal die Johanniter fassen – und der Kirche, haben vor allem die Kirchen zugelassen, vielleicht als wir aufgehört haben, im Rettungswagen, am Krankenbett, in den ambulanten Diensten (um nur einige Aufgabenfelder der Unfallhilfe zu nennen), von Bildern für elementare Erfahrungen zu sprechen, die uns unbedingt angehen.
Unbedingt an geht uns: Wer wir sind, worauf wir vertrauen, was wir hoffen. Das kann man als erstes und am besten erzählen, in all seinen Facetten, mit Fragen und Zweifeln, aber auch Hoffnung und Zuversicht, wie es uns eben die Geschichte vom Barmherzigen Samariter vormacht.
Und gerade der Verfasser Lukas, der große Vermittler und Versöhner unter den Evangelisten, passt auch zum heutigen Tag, schreibt ihm doch die Altkirchliche Tradition zu, als Arzt im pflegenden Beruf tätig gewesen zu sein.
Und der Evangelist geht sogar in seinem Gleichnis noch einen Schritt weiter: Es geht nicht nur um einen Samariter, sondern auch um einen Wirt und dass da klug vorausgedacht wird, dass im Grunde unternehmerische Diakonie schon vorgedacht und angelegt ist – hier das Geld und der Wirt und die Vorsorge und die Nachhaltigkeit – ich komme wieder und sehe nach, ob es gereicht hat.
Sie, lieber Herr Keller, als Hauptamtlicher sind genau dort zu finden zwischen den Zeilen: wie muss sich die Unfallhilfe vor Ort aufstellen, welche Angebote und Projekte sind JETZT an der Zeit und vor allem: wie steht es um die Finanzen. Kein Wunder also, dass diese Geschichte zu einem Tag wie heute passt. Es geht eben schon im Anfang um eine Barmherzigkeit, die nicht die Totalüberforderung des Einzelnen in Kauf nimmt, sondern die das Netzwerk, die Organisation von Nächstenliebe kennt.
Die nächste Frage, die uns der heutige Bibeltext stellt, ist nicht weit weg und ist im Grunde die drängende Frage allen Helfens: Wie bekämpfen wir die Ursachen des Leids? Wie kriegen wir diese Straße zwischen Jericho und Jerusalem endlich sicher?
Während man den Wirt in der Geschichte betrachtet, stellen sich diese Fragen ein. Sie werden nicht kleiner, wenn man z. B. die Kältehilfe für Obdachlose oder die Versorgung von Flüchtlingen betrachtet – weil all diese Nächsten einfach vor der Tür standen. Und schon lassen sich alle Fragen der Barmherzigkeit durchbuchstabieren.
Ein „Nicht Handeln“ ist keine Antwort, wenn ein Mensch unter die Räuber fällt oder ein Volk unter die Aggression mitten in Europa. Keine Antwort? Als Pfarrer greife ich dann zur Bibel und befrage die Texte. Glaube ist im Kern Fragen und Suchen. Was gibt dem Leben Sinn? „Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe“ – so beginnt das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Meister. Wörtlich steht da im griechischen Urtext didaskalos, das heißt nichts anderes als Lehrer. Rabbi. Wir sind also mit dem Barmherzigen Samariter Lernende für unseren Glauben und unser Handeln.
Was muss ich also tun, damit mein Leben erfüllt ist, Ewigkeit in sich frei setzt. Und die Antwort ist simpel und manchmal doch unendlich schwer: Lieben ist die Antwort: Gott. Dich selbst. Den Nächsten.
Wie das mit der Liebe zu Gott ist, liebe Gemeinde und lieber Herr Keller, das müssen Sie mit Gott selbst ausmachen. Dass wir aber einen Gottesdienst zur Einführung feiern, kann ja schon einmal ein gutes Zeichen sein. Liebe zu uns selbst: das wünsche ich uns allen und weiß doch auch um Menschen, die hier Probleme haben, die dann hoffentlich in einer Depressions- oder Suizid-Selbsthilfegruppe getragen werden.
Und als drittes den Nächsten. Dafür möchte ich heute Ihnen allen, die Sie in der Johanniter Unfallhilfe aktiv sind, Danke sagen. Dass Sie dort einspringen und auch einplanbar und verläßlich sind, wo die Gemeinden es selbst nicht mehr tun können.
Das klingt für manche Ohren nun vielleicht etwas zu missionarisch. Keine Angst: Mir ist bewusst, dass in Ihrem Arbeitsvertrag kein Missions- und Verkündigungsauftrag steht. Und doch hat Ihr Tun eine Mission und kann Ihre Haltung auf andere ausstrahlen.
Weil, davon erzählt ja die Geschichte vom barmherzigen Samariter, weil mit einem Mal das, was mich unbedingt angeht, der, der mein Nächster ist, vor meinen Füßen liegt, ungefragt. unmittelbar!
Passend dazu fand ich übrigens auf der Homepage der Johanniter folgenden Auszug aus der Ordensregel: „Der Johanniter lässt sich rufen, wo die Not des Nächsten auf seine tätige Liebe und der Unglaube der Angefochtenen auf das Zeugnis seines Glaubens warten.“
Dieser Satz erinnert mich an eine Aussage des Altbundespräsidenten Joachim Gauck, die er hier während seinen Besuches vor zwei Jahren zum 425jährigen Jubiläum und auch an anderer Stelle immer wieder wiederholt hat. Er hätte Sorge vor einer Gesellschaft, in der die Kirche und mit ihr die Geschichten, für die sie steht, verloren gingen.
Dies ging natürlich zuallerst an uns Kirchen, aber auch an jede Institution, die dem christlichen Glauben verbunden ist. In der Johanniter Unfallhilfe übernehmen Sie, lieber Herr Keller, nun Verantwortung. Sie tun dies nicht allein, aber jeder an seinem Platz ist wichtig.
Ich wünsche Ihnen für Ihr Wirken Gottes reichen Segen, viele Erfolge, in Wüstenzeiten Durchhaltekraft und vor allem, dass Gott, der Sie sendet, wie wir alle als Christen Gesandte sind, Ihnen die Kraft gibt, das Begonnene auch zu vollbringen.
„Da sprach Jesus zu ihm: So geh hin und tu desgleichen!“
AMEN!
- Es gilt das gesprochene Wort! -
- Predigten
Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
liebe Gäste im Tempel unseres
Glaubens,
nun ist das neue Jahr schon einige Tage alt. Es steht unter der Jahreslosung: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Wir haben diesen Vers im Kontext eben als Predigttext gehört.
Einige Ansprachen, Andachten und Predigten habe ich mittlerweile dazu gehört. Und viele gingen vor allem um eines – und um es zu verdeutlichen, habe ich mir einmal eine Requisite mitgebracht: Man muss halt manchmal die rosa Brille aufsetzen, um die Welt lieb zu zeichnen. Man muss in Liebe fünf auch einmal gerade sein lassen und vor allem Liebe verzeiht doch alles und trägt nichts nach. So hat es ja auch Paulus im Hohenlied der Liebe im selben Brief an die Korinther geschrieben.
Aber sind wir einmal ehrlich: wir können nicht immer mit einer rosa Brille im Leben herumlau-fen. Und so schön es wäre, in einer Welt voller Liebe zu leben, die Realität ist eine andere. Hat dies der Apostel Paulus etwa übersehen? Ist er etwa blind vor Liebe vor den Herausforderungen?
Ich bin der Jahreslosung im Kontext gefolgt und stellte etwas Erschreckendes fest. Hierin geht es gar nicht um Flower-Power und Friede, Freude, Eierkuchen. Ganz im Gegenteil – Paulus hat ein ernstes Anliegen.
Um das zu verdeutlichen, ist mir ein verstorbenes Gemeindeglied eingefallen, das mir über Jahre hinweg zur Herausforderung wurde. Sie litt an einer seltenen Krankheit: Narkolepsie – eine Art Schlafkrankheit. Bei ihr äußerte sie sich, dass sie plötzlich von einer Schlafattacke heimgesucht wurde.
Dies konnte sogar mitten während eines Gesprächs passieren. Aber auch während eines Spaziergangs auftreten. Zum Glück hatte sie einen Rollator und lief dann einfach mit geschlossenen Augen und fast ohne Bewußtsein weiter. Es ist nie etwas passiert, aber was wäre gewesen, wenn sie einmal vor ein Auto gelaufen oder in den Main gefallen wäre?
Vielleicht hatte der Apostel solche Menschen im Blick, als er seinen Brief formulierte. Nicht kör-perlich Betroffene, sondern Menschen mit einer spirituellen Schlafkrankheit: sie liefen irgend-wie durch ihr Leben und verschliefen doch die christliche Botschaft.
Spirituelle Schlafwandler sind sich oft der spirituellen Gefahren, die sie umgeben, völlig unbe-wusst, und was sie nicht wissen, kann ihnen und anderen schaden.
Das war es, worüber sich der Apostel Paulus bei den Korinthern beklagte, als er seinen ersten Brief an sie Mitte 50 n. Chr. abschloss. Ich stelle mir vor, dass er sich, als er den Brief abschloss, überlegte, was er seinen Geschwistern im Glauben sagen solle, um zu verhindern, dass sie noch weiter von Christus entfernten.
Denn die Gemeinde in Korinth war durchaus eine Herausforderung: Es gab Streit darum, wann eine Taufe gültig sei und ob es vom Taufenden abhinge. Dann gab es Ärger um das Heilige Abendmahl: während manche nichts mehr zu essen bekamen, waren andere schon satt und betrunken, bevor die Mahlfeier überhaupt anfangen konnte. Sie nahmen es mit der Moral nicht so ernst und nach damaligen Verständnis gab es einige Ausschweifungen. Und vor allem relativierten sie den Kreuzestod Christi und stellten ihre eigene Weisheit über Gott und waren auch noch stolz darauf.
Da muss sich der Apostel doch gedacht haben, dass diese Korinther einen sehr leichten Blick auf ihr geistliches Leben nahmen und vor allem dass sie wie Schlafwandler durch das Leben gingen, als gäbe es keine wirklichen Gefahren für ihren eingeschlagenen Weg des Glaubens.
Und deshalb beginnt unser heutiger Predigttext mit seiner Aufforderung: (V.13) „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark!“ Aufwachen hieß es für die Korinther und ich meine, dass auch für unsere Zeit, in der alle Kirchen und Gemeinden sich in einer Krise oder Umbruchszeit befinden, diesen Ruf zur Wachsamkeit nötig haben.
Denn die Kirche in Korinth ging verschlafen ihren Weg durch ihr geistiges Leben und er-kannte dabei nicht, dass diese Welt und die unsichtbare spirituelle Welt voll von Versuchungen und ja, so möchte ich es nennen: auch böser Geister war. Sie waren geistig nicht wachsam gewesen. Ihr laxer Umgang mit dem Christentum und die geistlichen Gefahren in ihrem heidni-schen Klima hatten zu Stolz, Spaltungen unter ihnen, Cliquen, Rechtsstreitigkeiten, Götzen-dienst, Ausschweifungen und dem Missbrauch spiritueller Gaben und der Verwicklung in fal-sche Lehren geführt.
Deshalb ermahnt er die Korinther: „Seid auf der Hut und aufmerksam, steht im Glauben, seid mutig und stark! Und lasst alles, was ihr tut, in Liebe geschehen.“ Dieses „seid wachsam“ gilt bis heute. Denn die Welt, die uns umgibt, mit ihren politischen und wirtschaftlichen Systemen, versuchte und versucht noch immer – vielleicht stärker denn je – den christlichen Glauben an den Rand zu drängen oder für eigene Ziele zu missbrauchen. Manchmal passiert dies offen, etwa wenn ich an die zunehmenden Christenverfolgungen weltweit denke; manchmal heimlich, still und leise, wenn versucht wird, christliches Leben zu erschweren und die Existenz von Kirche in Frage zu stellen.
Wer wachsam ist, kann dann auch fest im Glauben stehen. Ich denke, wenn Paulus hier über „den Glauben“ spricht, spricht er sowohl über den Inhalt des Glaubens – die biblischen und dogmatischen Lehren, aber auch im Hinblick auf Verhaltensweisen. Wir müssen die Wahrheit des Evangeliums, die Wahrheit dessen, was die Bibel lehrt, erkennen und dann daraus folgern, dass der Glaube zu einem guten Handeln führen wird.
Deshalb werde ich in Gesprächen und Diskussionen immer nervös, wenn die Heilige Schrift infrage gestellt wird. Wenn man zu schnell sagt, dass sie nicht mehr zeitgemäß ist oder wir heute doch in einer anderen Welt leben als damals. Wirkliche Glaubenswahrheiten sind zeitlos und wenn wir unsere Fähigkeit trainieren, den Unterschied zwischen Wahrheit und Irrtum zu erkennen, dann müssen wir auch zu der erkannten Wahrheit stehen und müssen standhaft bleiben.
Ja, das braucht manchmal Mut und dazu ermutigt uns auch der Apostel. Viele Menschen haben Angst, sind unsicher, fühlen sich nicht berufen, wenn sie gegen falsche Lehre und Kompromisse Stellung beziehen sollen. Damals in Korinth wurden solche mutigen Männer und sicher auch Frauen von ihren eigenen sogenannten Mitgläubigen verfolgt, angeklagt, verleumdet und möglicherweise sogar abgelehnt.
Glaube braucht eben auch immer Mut. - Sicherlich haben wir dies mit der Zeit verlernt, da wir es ja gut im vermeintlich christlichen Abendland hatten. Aber haben sich die Zeiten nicht längst geändert? Braucht es nicht viel mehr mutigen Glauben? Im griechischen Urtext ist das Verb übrigens in der Passivform. Und dann könnte es wie folgt übersetzt werden: „lasse dich mutig machen!“ Sicherlich denkt Paulus, dass diese Frage des mutigen Festhaltens im Glauben nicht etwas ist, was wir aus unserer eigenen Stärke heraus tun können. Wir müssen von Gott stark gemacht werden. Wir müssen für den Mut und die Kraft beten, wenn alle Kräfte des Bösen gegen uns aufstehen, weil wir für das einstehen, was aus der Perspektive Gottes richtig ist.
Meine Lieben! Und dann, nach diesen auffordernden und ermahnenden Worten, folgt der Vers der Jahreslosung: (V14) „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“ Paulus wird oftmals als Hardliner bezeichnet, der das Evangelium ungnädig auslegt. Ich möchte eine Lanze für ihn brechen, denn er hat durchaus auch mit gnädigen Augen den Menschen im Blick.
Ein Beispiel: Paulus hält an der Unauflöslichkeit der Ehe fest. Aber er erlaubt den Korinthern sich dann doch scheiden zu lassen, wenn der Glaube ein Ehepaar spaltet. Und er vertritt auch die Einmaligkeit der Ehe, stellt es aber Witwen frei, erneut zu heiraten, bevor sie unglücklich werden (1. Kor. 7).
Daraus folgt für mein eigenes Handeln als Pfarrer: auf der einen Seite muss die Lehre kompromisslos in der Öffentlichkeit vertreten werden, auf der anderen Seite gibt es Einzelfälle, wo die Lehre durch die Liebe eine große Weite erfährt. Und ich denke, dass dies auch richtig so ist: was wäre es für eine Hochzeit, wenn der Pfarrer im schönsten Augenblick von Scheidung und Trennung und neuen Chancen sprechen würde. Nein: dies hat dann erst in der Seelsorge seinen Platz.
Leider wurde und wird das „Liebes-Argument“ oft missbraucht, um möglichen Streit aus dem Weg zu gehen und sich einander anzubiedern.
Meine Erfahrung aber ist, dass mit kleinen Kompromissen oftmals der Weg in die Bedeutungslosigkeit eingeschlagen wird. Oftmals sicherlich aus guten Motiven. Wenn ein Nachbar neu einzieht, der katholisch ist, muss man ja nicht gleich über die Unfehlbarkeit des Papstes diskutieren. Oder wenn ein muslimischer Freund zum Kindergeburtstag eingeladen wird, ist sicherlich nicht der Moment, um ihm zu sagen, dass gerade er Jesus braucht, um in den Himmel zu kommen.
Wenn aus solchem liebgemeinten, nachlässigen Verhalten aber die Norm wird, beginnen wir, uns von unserem eigenen Glauben zu entfernen. Für mich gipfelt dies vor allem im religiösen Kontext darin, dass um der Liebe und Ruhe willen, der Satz scheinbar zum Dogma wurde „wir glauben doch eh alle an denselben Gott.“
Ich war dankbar, als Pröpstin Kropf-Brandauer in ihrem diesjährigen Weihnachtsinterview fol-gendes Bekenntnis ablegte: „Die These, dass alle Religionen gleich seien und alle an densel-ben Gott glauben würden, ist ein Irrglaube. Aus biblischer Perspektive glauben nur Juden und Christen an denselben Gott. (HNA)“.
Wann haben Sie das letzte Mal einen Kirchenvertreter von Häresie (Irrglaube) sprechen hören? In Hanau sind wir doch seit geraumer Zeit andere Äußerungen gewöhnt – bedenklich, aber beruhigend, eine wachsame und mutige Frau in einem Leitungsamt zu erleben!
Liebe, Verständnis und Toleranz darf also niemals zur Aufgabe des eigenen Glaubens führen.
Liebe ist aber die Kraft, aus der heraus wir in allen Lebenslagen unseren Glauben bekennen sollen. Liebe hat ein großes Herz für den einzelnen, aber ein noch größeres für die Wahrheit des Glaubens.
Was würde Paulus wohl heute den Kirchen und Gemeinden in Deutschland sagen? Wacht auf! Stoppt das Schlafwandeln und erkennt die Zeichen der Zeit. Steht fest und mutig in eurem biblischen Glauben – der Glaube, der einst den Heiligen im Neuen Testament, von den Aposteln gegeben wurde.
Geschwister im HERRN! In den folgenden Versen nennt der Apostel deshalb auch einige seiner Freunde und Mitarbeiter, an denen sich die Gemeinde auch orientieren kann und soll. Es ist interessant, was er über den Haushalt von Stephanas sagte.
Stephanas und sein Haushalt hatten sich dem Dienst der Heiligen gewidmet. Ich vermute, dass sie in der Lage waren, sich ganz dem christlichen Dienst in der Kirche von Korinth zu widmen. Wahrscheinlich hatte er keine offizielle Ordination oder ein Amt, um sich zu engagieren. Und solche Menschen braucht es bis heute, denn alle arbeiten gemeinsam im Weinberg Gottes – nicht nur die Hauptamtlichen.
Paulus schließt dann seinen Brief mit den typisch persönlichen Grüßen, die in vielen seiner Briefe vorkommen. Doch inmitten seines Segens an die Korinther haben wir einen seltsamen Vers, der scheinbar wenig Herzlichkeit ausdrückt.
Es gibt wohl eine Gruppe von Menschen, die vielleicht zumindest in Korinth zur sichtbaren Kirche gehören, die er aber nicht segnet. Er verflucht sie! Können Sie sich vorstellen, dass, da er endlich zu einem herzlich abschließenden Teil seines Briefes kommt, er noch immer etwas Gift in seinem Stift hat: (V22:) „Wenn jemand den Herrn nicht liebt, soll er verworfen werden.“
Warum sollte Paulus gezwungen sein, einen so negativen Kommentar inmitten von so viel Segen und Liebe zu machen? Ich vermute, es liegt daran, dass der Apostel wusste, dass die Probleme in Korinth nicht alle auf das Konto von Gläubigen gingen, sondern Ungläubige, die sich in die Kirche eingeschlichen hatten und die die Gemeinde durcheinanderbrachten. Davon haben wir auch bereits in der Lesung gehört: (V 4:) „Denn es haben sich einige Menschen eingeschlichen, über die schon längst das Urteil geschrieben ist: Gottlose sind sie, verkehren die Gnade unseres Gottes ins Gegenteil, in Ausschweifung, und verleugnen unsern alleinigen Herrscher und Herrn Jesus Christus.“
Carissimi! Wie also gehen wir in das Jahr 2024 unter der Jahreslosung: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“? Ich würde mir wünschen, dass wir aufwachen und wach bleiben und uns mehr über den Glauben austauschen und auch mehr über den Glauben reden, bei uns in der Kirche und hinein in die Stadt Hanau. Dass wir einen Standpunkt vertreten, an dem sich Menschen orientieren können und vielleicht wieder einen Weg zurück zur Kirche finden.
Ich würde mir wünschen, dass aus unserem Glauben eine liebende Offenheit entsteht, die Menschen anspricht. Kompromisslos im Glauben, aber zugewandt in der Liebe. So wie es schließlich auch im Judasbrief zu lesen war: „21 und bewahrt euch in der Liebe Gottes und wartet auf die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus zum ewigen Leben. 22 Und erbarmt euch derer, die zweifeln; 23 andere reißt aus dem Feuer und rettet sie; anderer erbarmt euch in Furcht, wenn ihr auch das Gewand hasst, das befleckt ist vom Fleisch.“
Und ich schließe mit Paulus: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“ AMEN
- Es gilt das gesprochene Wort! -
- Predigten
Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
vor allem Sie, liebe Konfirmations-Jubilare,
liebe Gäste im Tempel unseres Glaubens,
werte Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche,
1948, 1953, 1958, 1963 und 1973 wurden Sie hier oder in einer anderen Kirche konfirmiert. Die beiden ersten Jahrgänge nach dem Krieg wahrscheinlich in der Nussallee, ab 1963 und 1973 dann hier in der wieder auferbauten Kirche. Sie waren meistens große Jahrgänge – nicht wenige Ihres Jahrgangs sind bereits verstorben oder nicht mehr mobil, so dass sie heute diesen Gottesdienst nicht mit uns feiern können.
Es waren immer spannende Jahre, in denen Ihre Konfirmation stattfand: 1948 wurde Berlin durch eine Luftbrücke ernährt und der Staat Israel wurde ausgerufen, was leider nicht zum erhofften Frieden in der Region führte. Aus Dankbarkeit wurde in den USA für schwarze Soldaten die Rassentrennung beim Militär aufgehoben, erst 20 Jahre später dann in allen Bereichen.
1953 fand am 17. Juni der Aufstand in der DDR statt, Stalin starb und Elisabeth II. wurde in der Westminster Abbey gekrönt – meine Generation hat erst in diesem Jahr wieder eine Krönung in England erlebt. Fidel Castro putscht sich in Kuba an die Macht. „Lukas, der Lokomotivführer“ und „Urmel aus dem Eis“ wurden im Fernsehen aus der Augsburger Puppenkiste übertragen.
1963 wurde Kennedy ermordet, Paul VI. wurde in Rom zum Papst gewählt. Martin Luther King hielt seine bekannte Rede „I have a dream“ und Konrad Adenauer ging in Rente. Seit diesem Jahr gehört „Dinner for one“ zum festen Fernsehbestand an Silvester und das ZDF nahm seinen Betrieb auf.
1973 schließlich brachte die Ölkrise mit sich. Helmut Kohl wird Vorsitzender der CDU. Die USA wunderten sich über die Watergate Affäre, freuten sich aber über die Zwillingtürme des World Trade Centers. Und in der Bundesliga durfte endlich Trikotwerbung stattfinden und die Vereine wurden reich.
Und ohne eine große Schlagzeile wurden Sie in diesen Jahren konfirmiert. Manches kommt uns wie gestern vor, bei anderem müssen wir nachdenken, ob wir uns noch erinnern. Erinnern hat auch viel mit Gnade zu tun – zu entdecken, wie weit man es im Leben gebracht hat, was man sicherlich auch der Hilfe Gottes zu verdanken hat.
Zu diesem Gott haben wir uns alle heute Morgen aufgemacht. Wir sind gekommen in sein Haus, welches das Zentrum unserer Wallonisch-Niederländischen Kirche ist. Das ist sein Heiligtum. Das ist nicht nur ein Ort der Anbetung, sondern regelrecht eine Wohnstätte, in der die Gottheit haust, mit Türen zum Ein- und Ausgehen. Menschen haben sich das schon immer auch so vorgestellt. Schon vor urlanger Zeit. Dass ein Gott die Menschen begleiten könnte, dieser Gedanke ist innerhalb der Menschheitsgeschichte relativ jung. Bei ihm zu wohnen, in seinem Tempel, das ist einfach schön! Wie es auch im Psalm anfangs lautete: Ich möchte bleiben im Hause des Herrn – der seinen Platz in jeder Konfirmation hat.
Doch sobald wir Menschen mobil werden, sobald wir unseren Lebensraum ausweiten, Wohnungen wechseln und lange Wege gehen, brauchen wir Begleitung und dies wurde Ihnen damals als Konfirmanden auch zugesprochen.
Diese Entdeckung, dass Gott versprochen hat, uns zu begleiten, ist der Anlass für das dankbare Zurückblicken auf eine Konfirmation. Damals, vor 50, 60, 65, 70 und 75 Jahren wurden Sie konfirmiert. Sie haben damals „ja“ gesagt zu Ihrer Taufe und damit zu Gott. Im Vertrauen, dass Gott alle Wege begleitet, wo immer sie auch hinführen. Lange Wege mitunter, in entfernte Ecken unseres Landes, unseres Kontinentes, unserer Welt. Der Zeitraum, den wir überblicken, ist in seiner Art unglaublich vielfältig gewesen. Und damit meine ich Ihr Leben, nicht jenes, welches in den Geschichtsbüchern zu finden ist.
Die Ersten unter Ihnen haben das Fest gefeiert unter dem Eindruck des Krieges im Nachkriegsdeutschland. Überstanden war er, mit furchtbaren Folgen. Zerbombte Städte, kaputte Kirchen, aber das Fest der Konfirmation wurde gefeiert. Welche Ängste, welche Not war damals wohl noch in Ihnen? Gab es das Gefühl des Aufbruchs? Es gab wieder Ziele, es gab wieder die Möglichkeit, eine Zukunft zu haben.
Heute erinnern Sie sich daran. Vielleicht spüren Sie, dass Gott weite Wege mit Ihnen zurückgelegt hat. Sie haben viele Pforten, viele Türen aufgetan. Türen des Lebens waren es. Dazwischen sind es sicher hin und wieder die Pforten einer Kirche gewesen, durch die Sie gegangen sind.
Meine Lieben! Leben ist Zeit, wie es der Prediger in der Lesung sagte. Leben, das sind Bilder, die ich erinnere, Momente, die ich bewahre, Räume, die ich durchschreite. Menschen gehen von Raum zu Raum. Leben bietet Lebensraum, der nach bestimmten, nicht immer zu durchschauenden Regeln erobert und dann wieder verlassen wird. Dazwischen sind Türen, die wir mehr oder weniger energisch auftun.
Es beginnt mit der Geburt. Die erste menschliche Wohnung, der Mutterleib, wird verlassen. Wenn der Mensch Glück hat, dann findet er draußen eine gute Stube vor. Ein meist kleines
Zimmer, das allmählich zur Welt wird. Der Mensch erobert mit allen Sinnen diese Kinderzimmer-Welt. Riechen, schmecken, hören. Sehen, anfassen und begreifen. Ach, die Welt ist aufregend!
Dann aber kommt der große Tag, an dem der Mensch die erste Tür selbstständig öffnen kann. Eine neue Welt liegt vor ihm. Es ist immer die Frage, ob der Mensch, ob wir es wagen können, diese neuen Welten zu erobern. Wagen wir den Schritt über die Schwelle? Noch gibt es Eltern, die aufpassen, dass wir die richtigen Türen öffnen. Noch leben wir behütet.
Welche Türen gibt es noch in Ihrer Erinnerung? Das große Portal, das den Beginn der Schulzeit kennzeichnet, kann man nicht allein öffnen. Dazu muss die Zeit reif sein. Einschulung! Lange Gänge gibt es, merkwürdige Gerüche kennzeichnen diese Häuser. Menschen, die unterrichten. Manche werden verehrt, manche werden gefürchtet. Schuljahre, in denen dieses erste Portal dann bald selbstverständlicher Durchgang geworden war.
Irgendwann verlässt man die Schule und das Portal schließt sich. In dieser Zeit liegt auch der Gang zur Kirche, um den Konfirmationsunterricht zu besuchen. Auch eine Tür, die sich öffnet und dann wieder schließt. Man tritt hinaus und geht seinen Weg. Neue Welten liegen vor den Menschen, unterschiedliche Wege. Manch einer klopft an die Tür eines Meisters, um die Lehre zu beginnen. Oder das Lernen geht auf der Schulbank weiter, nur, dass es jetzt Studium heißt. Aber auch hier gibt es Türen, die aufgemacht werden müssen. Das Schlottern der Knie vor der Prüfung am Ende dieser Zeit, das wird wahrscheinlich in allen Jahren dasselbe geblieben sein.
Andere Türen sind aber auch wichtig. Wieder kann es die Kirche sein, in die man einzieht. Feierlich, aufgeregt und geschmückt. Frauen und Männer feiern ihre Begegnung, ihr Glück. Manch eine wird über die Schwelle getragen, hinein in einen neuen Lebensraum. An die Tür, die nun gemeinsame, wird ein neues Namensschild geschraubt. Und das Leben geht weiter. Neue Menschen werden geboren, Familien wachsen. Türen öffnen sich und schließen sich. Es kommt die Zeit, in der ich darüber nachdenken kann, durch wie viele ich gegangen bin. Mit knapper Not bin ich durch manche noch schnell gerutscht. Bei anderen bin ich froh, wenn ich nicht daran erinnert werde! Sie bedeuten Abschied, Trennung und Schmerz. Schon an manchem Grab musste ich zusammen mit Ihnen stehen.
In den letzten Jahren haben sich Türen geöffnet, von denen wir dachten, sie wären für immer zumindest in Europa geschlossen. Wir mussten nicht nur miterleben, wie Flüchtlingsströme nach Deutschland kamen, wie die Vertriebenen nach dem Krieg oder auch die Welle von Gastarbeitern. Seit fast zwei Jahren haben wir an den Außengrenzen Europas wieder Krieg in der Ukraine, bei manchem wecken die Bilder im Fernsehen unschöne Erinnerungen.
Und seit zwei Wochen wieder Krieg in Israel und Antisemitismus auf deutschen Straßen – dachten wir nicht alle, diese Zeit wäre vorbei? Dass sich in Deutschland Juden hinter ihren eigenen Türen nicht mehr sicher fühlen? Wie gerne würde ich all diese Türen verschließen und den Schlüssel wegwerfen und niemals wieder finden.
Uns allen stehen noch so manche Türen bevor. Frohe und traurige Türen - aber durch alle, wirklich alle, können wir mutig und getröstet gehen, denn unser Gott geht mit. So, wie er uns getragen, geholfen und gestützt hat - ohne dass wir oft darüber nachgedacht haben. Egal welche Türen es waren, sind und noch sein werden – zumindest in dieser Stunde dürfen wir an Vergangenes denken und wir sagen „danke“. Danke, Gott, für deine Hand, die uns hält und trägt, die uns stützt und tröstet. Die uns streichelt und immer wieder sagt: Fürchte dich nicht, ich bin bei dir, ich halte dich bei meiner Hand auf deinem Weg in die Zukunft.
Und auch über unserer Gemeinde hält Gott durch die Zeiten hindurch seine schützende und segnende Hand. Beten wir und glauben wir, auch für unsere Wallonisch-Niederländische Kirche, die – so Gott will und wir alle tatkräftig mitanpacken – eine fantastische Zukunft haben wird. Wie es eben im 92. Psalm heißt: „Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum, er wird wachsen wie eine Zeder auf dem Libanon. Die gepflanzt sind im Hause des HERRN, werden in den Vorhöfen unsres Gottes grünen. Und wenn sie auch alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein.“
Darauf vertraue ich, davon predige ich und bezeuge es im Namen Jesu Christi. AMEN
- Es gilt das gesprochene Wort! -
- Predigten
Liebe Brüder und Schwestern im HERRN,
liebe Gäste im Tempel unseres Glaubens,
und vor allem: liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,
nun ist er also endlich da: der Tag eurer Konfirmation. Und ich bin auch wieder da, nach einem halben Jahr Auszeit. Das ist kein Zufall, denn mir ist es wichtig, euch heute selbst zu konfirmieren und als mündige Christen in die Welt zu entlassen. Eure Konfirmandenzeit war keine einfache: kurz vor der Pandemie hatten wir wenig Gelegenheiten, uns zu treffen. Und dann das letzte halbe Jahr ohne mich, dafür mit einem bunten Strauß an anderen Pfarrpersonen, das war auch nicht „normal“. Zumindest haben wir aber die traditionelle Hollandfahrt gemeinsam unternehmen können. Und so habt ihr Zeugnis von eurem Wissen und Glauben im Vorstellungsgottesdienst geben können, wozu ich auch gerne angereist war.
Und nun heute also der Abschluss dieser gemeinsamen Zeit, feierlich in einem Gottesdienst, Ihr habt euch fein gemacht, denn dieser Tag ist wichtig. Aber wir wollen ehrlich sein. Kirche steht dieser Tage nicht mehr hoch im Kurs. Ihr habt euch trotzdem auf den Weg gemacht. Ihr habt gelernt und diskutiert, seid ab und zu in diese Kirche gekommen, während eure Freunde am Wochenende sicherlich andere, ggf. schönere Dinge erlebt haben. Und so werden wir euch sicherlich in der nächsten Zeit nicht mehr so oft unter uns sehen, aber vielleicht überrascht ihr uns ja auch vom Gegenteil. Unsere Zeit kennt viele interessante Dinge, die uns von der Kirche und dem Glauben wegziehen.
Und damit hat, so ehrlich wollen wir sein, auch das Elternhaus etwas zu tun. Eure Tischgespräche zuhause werden sich selten um religiöse Dinge drehen. Uns fehlt dazu irgendwie die Übung, was ich bedauere. Aber ich möchte uns allen kein schlechtes Gewissen machen, denn Gott ist größer als unsere Sprachlosigkeit. Gott lädt ein, er zwingt nicht. Und auch wir als Kirche und Gemeinde wollen eher eine Einladung aussprechen, als Zwang ausüben.
Mir ist bewusst, dass Kirche irgendwie aus der Zeit gefallen ist – und vielleicht auch ich als Pfarrer auch. Wer nach moderner Musik sucht, findet diese eher im Radio oder Internet. Wer nach Unterhaltung sucht, wird eher im TV oder Kino fündig. Wer etwas Gescheites essen gehen möchte, sollte dafür eher ein Restaurant aufsuchen, als sich mit Brot und Wein/Saft begnügen. Events oder Festivals werden auch woanders immer größer sein.
Und dennoch haben euch auch die Kirche und der Glaube etwas zu bieten. Die Welt wird euch nämlich immer nach eurer Leistung, eurem Aussehen, euren Erfolgen beurteilen. Gott aber sieht hinter all diese Oberflächlichkeit tief in euer Herz. Und ihr - wir alle - sind wertvolle Menschen, auch und gerade in unseren Misserfolgen, in unserem Scheitern, in unseren offenen und oftmals unbeantworteten Fragen. Gott schreibt uns nicht ab, nur weil wir in der Welt gescheitert sind,. sondern er will uns immer wieder auf die Füße stellen, damit wir weiter im Leben vorankommen.
Und für dieses Vorankommen, meine Lieben, habt ihr euch als Reiseproviant einen biblischen Vers ausgesucht, jeder und jede einen unterschiedlichen, die ich nun gerne kurz auslegen möchte.
Lieber Julian, du hast einen Vers aus dem ersten Buch der Bibel gewählt, dem Buch der Anfänge und Aufbrüche. „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir und will dich segnen“ (1. Mose 26, 24). Das wünsche ich dir, wie euch allen: dass ihr in euren Aufbrüchen keine Angst zu haben braucht, weil Gott mit euch ist. Manchmal werdet ihr ernüchternde Erfahrungen machen, wenn Freundschaften sich in Feindschaften verwandeln, es scheint, als habe sich die ganze Welt gegen euch gestellt: Gott bleibt auf eurer Seite und hält auch dann noch schützend die Hand über euch, wenn es aussieht, als wäret ihr schutzlos der Welt ausgeliefert.
Liebe Mia, du hast dir eine moderne Übersetzung für deinen Konfirmationsvers ausgesucht. Wir finden ihn im Johannesevangelium. Dort heißt es: „Niemand liebt mehr als einer, der sein Leben für seine Freunde und seine Familie einsetzt“ (Johannes 15,13). Familie und gute Freunde sind etwas ganz Wichtiges im Leben. Sie begleiten durchs Leben, stärken und stützen uns – zumindest wenn es gut läuft. Ich weiß, als „Pupertiere“ sind euch eure Eltern manchmal peinlich und nicht immer versteht ihr, was sie eigentlich von euch wollen. Aber mal ehrlich: umgekehrt ist es nicht viel anders in dieser spannenden Zeit des Lebens. Da wird aus dem süßen Mädchen auf einmal eine junge Frau, und aus dem zurückhaltenden Jungen ein diskussionsfreudiger junger Mann. Eben war noch alles so einfach, und auf einmal ist das Leben kompliziert und doof. Liebe ist da das Band, das verbindet und Streit schlichten kann.
Lieber Johann, dein Vers hat mich etwas überrascht. Die Jugend von heute, so sagt man ja vorschnell, ist mehr mit dem Handy als dem Leben verbunden. Dagegen setzt du aber einen Vers aus dem Ersten Brief des Petrus: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat“ (1. Petrus 4, 10). Der Vers sagt doch zweierlei. Zunächst einmal, dass jeder Mensch Gaben und Fähigkeiten hat, die ihn einmalig und wertvoll machen. Niemand gleicht dem anderen und viele Talente schlummern in euch, die noch entdeckt werden wollen. Vielleicht sogar das Talent, Pfarrer zu werden. Wer weiß, ob bereits heute der zukünftige Pfarrer unserer Kirche unter uns sitzt, ohne es zu ahnen? Oder ein Nobelpreisträger. Ich bin gespannt. Dabei wollen wir aber das Zweite nicht überlesen: Gaben sind nichts, was man für sich selbst behalten soll, sondern sie können der Allgemeinheit, der Gemeinde, der Gesellschaft einen wichtigen Dienst leisten. Bringt euch also ein, immer und überall dort, wo ihr gebraucht werdet.
Und dabei wird es nicht immer nach eurem Kopf gehen, manches sogar manchmal richtig gegen den Strich. Da ist Toleranz gefragt, so wie du, liebe Aurelia, es zuhause sicherlich auch erfährst. Oder vielleicht müsste ich eher deinen Vater fragen, als einziger Mann mit vier Frauen unter einem Dach. Im Römerbrief schreibt nämlich der Apostel Paulus: „Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat“ (Römer 15, 7). Die Familie als Keimzelle der Gesellschaft sollte uns fähig machen, tolerant und offen der Welt zu begegnen; Unterschiede auszuhalten und nebeneinander stehen zu lassen. Dem Gegenüber mit Respekt zu begegnen, auch wenn dieser nicht meiner Meinung ist. Das ist übrigens auch Kirche: eines Sinnes trotz Unterschieden zu sein. Vorgelebt hat uns dies Christus selbst, der sich mit Sündern, Verbrechern und Außenseitern, aber auch mit Bedürftigen, Gläubigen und Zweiflern an einen Tisch gesetzt hat. Genauso wie wir auch gleich das Heilige Abendmahl feiern werden: ganz gleich, wer du bist oder woher du kommst: hier in Gottes Haus an seinem Tisch bist du willkommen, weil Christus selbst jeden Einzelnen einlädt, der auf seinen Namen getauft ist.
Etwas überrascht hat mich auch dein Vers, liebe Annika. Du hast dir ein bekanntes Wort aus dem Ersten Brief des Johannes ausgesucht: „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“ (1. Johannes 4, 16). Es ist ja vielen von uns bekannt, dass du gesundheitlich in den letzten Jahren stark belastet gewesen bist. Ich hätte da eher ein Zweifeln an Gottes Liebe und Güte bei dir erwartet. Dein Lebensbeispiel beeindruckt mich: dass du eben nicht aufgibst, sondern kämpfst. Vielleicht spürst du, dass Gott dir Kraft für diesen Überlebenskampf schenkt, Menschen in Familie und Freundeskreis an die Seite gestellt hat, die dich darin unterstützen und dich nicht aufgeben. Bewahre dir diesen Glauben, auch wenn ich jeglichen Zweifel gut verstehen könnte. Und vor allem: fordere diese Liebe ein – wie auch immer sie dann aussehen mag -, wenn Du meinst, Gott könnte dich vergessen haben.
Heilige Gottes, das war es nun fast mit meiner Predigt. Und es ist gute Sitte, dass ich am Ende immer einmal kurz auf mein eigenes Leben eingehe. Ich wurde vor 4 Dekaden an Pfingsten geboren und vor 33 Jahren in einem unbedeutenden Dorf konfirmiert. Ich hatte einen Konfirmator, der wirklich langweilig predigte, aber statt einzuschlafen, haben wir manchen Blödsinn im Gottesdienst gemacht und da flog auch dann und wann einmal ein Gesangbuch quer durch die Kirche, um für Ruhe zu sorgen.
Erst Jahre später, nach einer durchaus abwechslungsreichen Glaubensreise, ging mir ein Licht auf, was er uns eigentlich sagen wollte: Glaubt an Gott und glaubt an Euch, dann wird vieles möglich sein. Und nein, liebe Ellen, dich habe ich nicht vergessen. Aber du hast dir einen meiner Lieblingsverse ausgesucht, und er passt zum Abschluss meiner Predigt, oder besser als Rahmen um alle eure Verse. Deinen Vers finden wir im Markusevangelium. Dort heißt es: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt“ (Markus 9,23). Glaube kann Berge versetzen. Wenn die Menschheit nicht den Glauben durch die Jahrtausende hindurch gehabt hätte, dass das Morgen besser als das Gestern werden würde, wir würden wohl immer noch in Höhlen hausen. Der Glaube ist die Kraft, die euch antreibt, aber auch zur Ruhe kommen lässt. Dieses „alles“ werdet ihr selbst entdecken müssen. Und oftmals werdet ihr dafür einen langen Atem und viel Geduld haben müssen. Im Rückblick aber werdet ihr hoffentlich überrascht sein, wozu ihr alle fähig seid. Glaubt also an diesen Gott der Möglichkeiten, der zu allererst an euch geglaubt hat.
Auch wenn ich den einen oder anderen Glaubenszweifel immer wieder habe, ich habe noch nicht viele Tag bereut, Gott die Treue gehalten zu haben. Und dabei habe ich gespürt und gesehen, dass Gott in meinem Leben wirkt – vielleicht nicht immer so, wie ich es wollte. Aber ich habe oftmals die Augen geöffnet bekommen und durfte sehen, dass manche meiner Träume Wirklichkeit wurden. Vielleicht habt Ihr manche gute Predigt verschlafen und manch guten Gedanken im Unterricht nicht mitbekommen – Schwamm drüber. Aber wir hoffen, dass wir Euch die wesentlichen Dinge eingepackt haben für eure Lebensreise. Erinnert euch immer wieder an euren Konfirmationsspruch, meiner gibt mir Halt und Ziel: „Weise mir, HERR, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte“ (Psalm 86, 11). Darauf vertraue ich, davon predige ich und bezeuge es im Namen Jesu Christi. AMEN
Pfarrer Torben W. Telder
- Es gilt das gesprochene Wort! -