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Gehalten von Dekan Steffen Held (Rodgau-Dreieich)
„Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.
Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht,
und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.“ (Psalm 22,2-3)
Worte aus dem Buch der Psalmen, Worte unserer jüdisch-christlichen Tradition, die Menschen schon vor Jahrtausenden gesprochen haben. Worte, die Jesus am Kreuz in der Stunde seines Todes gebetet hat.
Worte aus den Psalmen, liebe Gemeinde, die uns heute zum Licht auf unserem Weg werden mögen.
Psalmen sind Gebete und somit Worte tiefer Frömmigkeit und Zeugnisse unendlichen Gottvertrauens. Auch wenn hier, im 22. Psalm, so vieles in Frage gestellt wird. Wo ist Gott, jetzt in unserer Not? Wo ist er, angesichts des Leides und des Leidens?
Doch noch ruft der Psalmbeter zu Gott. In den Psalmen bringen die Menschen das vor Gott, was ihr Herz bewegt, ihren Dank und ihre Freude, oder eben auch ihre Klage und ihre Ratlosigkeit, ihre Ängste, Sorgen und ihre Not.
Und manchmal, da verleihen uns die Psalmen Worte, in die wir einstimmen können, weil wir selbst sprachlos sind.
„Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Aus tiefster Not höre ich diese Worte gen Himmel rufen. Ich bin unsicher, wie diese Worte wohl klingen - laut schreiend, voller Wut und in Anklage – oder zart hauchend, verzweifelt und weil die Kraft für mehr fehlt.
Wie auch immer wir rufen, Gott, mein Gott, es scheint doch die Hoffnung da zu sein, dass eine Antwort kommen wird. Es möge ein Zeichen kommen, dass wir, dass die Welt nicht gott- verlassen ist, sondern Gott noch eine Zukunft für uns vorsieht.
„Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Worte, wie sie vor 80 Jahren vielleicht dem ein oder anderen über die Lippen gingen. Worte, die uns in den Sinn kommen, wenn wir der schrecklichen Ereignisse vor 80 Jahren hier in Hanau gedenken.
Es waren 20 Minuten, um 4.20 Uhr beginnend, die alles veränderten. Schon viele Jahre tobte der Krieg. So viel Leid war schon geschehen. Auch die Stadt Hanau musste bereits seit dem Jahr 1941 viele Luftangriffe erleben. Es war ein furchtbarer Krieg, der seinen Ausgang von deutschem Boden nahm. Ein Krieg, der aus der menschenverachtenden Ideologie des Nationalsozialismus heraus so viel Leid und Tod mit sich brachte.
Die Welt ergab sich dem Regime des Nationalsozialismus jedoch nicht kampflos, und so erreichte der Krieg, der von Deutschland aus begonnen hatte, mit aller Härte nun auch die Mitte des Landes und auch die Stadt Hanau. Bei dem Fliegerangriff des 19. März 1945, der in den frühen Morgenstunden begann, wurde die Stadt quasi völlig zerstört. Die Stadt Hanau, sie wird von den Medien, die in diesen Tagen auch berichten und erinnern, als „flammendes Inferno“, „Hölle, die losbrach“, „Bombenhagel“ und „Trümmerwüste“ bezeichnet. Tote, Verletzte, Obdachlose sind zu verzeichnen.
Tausende Menschen starben allein an diesem Morgen. Für Zehntausende blieben die Folgen dieses Hanauer Morgens ein Leben lang spürbar und schreckliche Realität. Viele, viele Menschen, die zwar überlebten, doch Zeit ihres Lebens geprägt waren und sind von dem, was damals geschehen ist.
„Es war grausam, den Morgen vergess‘ ich nie,“ erzählt eine Zeitzeugin von damals, die den Angriff im Keller ihres Hauses erlebte, überlebte und dann eine Stadt sah, die nicht mehr ihre war. Die Angst sei übermächtig gewesen, es pfiff, knallte, rumorte, die Erde bebte und viele knieten auf dem Boden und beteten. Als sie den Keller nach dem Angriff verließen und brennende und zerstörte Häuser sahen, schreiende Kinder hörten, ergriff sie das blanke Entsetzen.
Heute gedenken wir zu allererst der Opfer dieses 19. März 1945 und beten für sie und ihre Angehörigen. Wir gedenken zudem der vielen Menschen, die unter Hass, Gewalt und Krieg leiden, damals und auch heute, und schließen sie in unser Gebet mit ein. Wir erinnern und gedenken. Dabei ist unser Gedenken immer auch ein Mahnen für Versöhnung zwischen Völkern und Nationen, und wir beten für den Frieden - auch heute.
Angesichts des Grauens und des Leidens über das, was wir von den Ereignissen des 2. Weltkriegs wissen, sollten wir dabei durchaus unserer Sprachlosigkeit Ausdruck verleihen und diese benennen – und auch immer wieder aushalten. Denn eigentlich gibt es keine Worte, die Krieg erklären könnten. Wenn ich die Bilder von damals sehe, wenn ich mir die Ruinen-Teile der Wallonisch-Niederländischen Kirche vor Augen führe, dann sollte ich zunächst einmal in Demut schweigen.
Im Schweigen und Gedenken treten weitere Bilder in meinen Kopf und ich muss erkennen, unser Gedenken ist nicht nur in die Vergangenheit gerichtet, sondern ist grausame Gegenwart. Auch 80 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges und der Befreiung vom Nationalsozialismus hier in Deutschland ist die Welt keine friedliche Welt. Hass, Terror und Gewalt sind vielerorts spürbar und auch Kriege sind bittere Realität. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, die kriegerischen Auseinandersetzungen in Israel und Palästina und die Bilder, die uns aus jenen Regionen erreichen, erschüttern uns.
Dabei sind es ja nicht nur Bilder – es ist das wahre Leben bzw. das, was vom Leben übrigbleibt, wenn Krieg herrscht.
Auch heute, jetzt, in diesem Moment sitzen vielleicht Menschen in einem Keller, angsterfüllt – und beten: „Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
So bete auch ich immer wieder und zugleich sage ich: „Mensch, mein Mensch, warum hast du nichts gelernt? Warum führst du immer wieder Kriege, warum lässt du dich von Machthunger, Hass und Gewalt leiten? Mensch, mein Mensch, warum hast du Gott verlassen?“
Dass Deutschland nach den Schrecken des Holocaust und des 2. Weltkriegs wieder Teil der europäischen Familie wurde und anerkannter Partner der freien Weltgemeinschaft, ist Ergebnis vieler Jahre und Jahrzehnte der Aufarbeitung, des Schuldbekenntnisses und der Versöhnungs- und Friedensarbeit.
Dazu gehören auch viele friedensstiftende und versöhnende christliche Initiativen, so auch Coventry und die Nagelkreuzgemeinschaft, zu der auch Ihre Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder, hier zählt.
Versöhnung und Frieden geschehen nicht von selbst, wir sollen und wir müssen auch etwas dafür tun. Doch ich will es nicht allein als Imperativ, sondern auch als befreiende Botschaft formulieren: wir können etwas dafür tun. Eine Investition in den Frieden lohnt allemal mehr als in den Krieg. Wir leben in schwierigen Zeiten.
Ich bin 1975 geboren und als Jugendlicher habe ich 1994 Abitur in Frankfurt gemacht, und junger Erwachsener hatte ich den Eindruck, die Welt um mich herum werde immer besser und immer friedlicher. Ich durfte den Fall des Eisernen Vorhangs und der Berliner Mauer erleben, die Deutsche Einheit, Völker aus Ost und West nähern sich an und die Frage von Gerechtigkeit des Südens und des Nordens wird auch bedacht. „Alles wird gut, richtig gut,“ so dachte ich lange Zeit, „und ich darf es sogar erleben.“ War das nur jugendliche Naivität? Irgendwann, so mein Empfinden, ist da wieder etwas gekippt. Es scheinen Ungerechtigkeiten weiterhin vorgeherrscht zu haben, und Kriegslogiken weiterhin bestimmend gewesen zu sein.
In dieser Woche nun historische Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat, die ich hier in keiner Weise bewerten möchte. Ich verweise auf diese, um die Ernsthaftigkeit der Situation zu verdeutlichen, in der wir leben. Vieles macht den Menschen Angst und Sorge. Wir haben wieder Krieg in Europa und es ist nicht sicher, dass sich dieser Krieg nicht auch ausweiten könnte. Sorge macht mir dabei auch die Rhetorik in Stil und Tonfall, welche die öffentliche Debatte zu bestimmen scheint.
Wir sprechen von Abschreckung und Drohszenarien – das hat auch seine berechtigten Gründe. Doch sprechen wir auch noch von Versuchen der Verständigung und Versöhnung? Das müssten wir doch tun, wenn unser Denken und Handeln über das Hier und Jetzt hinausreichen soll. Aus christlicher Sicht ist das so.Es scheint, als könnten wir in vielen Fragen Schuldige besser und leichter benennen als Lösungsansätze zu formulieren.
Populisten haben derzeit leichtes Spiel und etablierte Institutionen, zu denen ich auch die Kirchen zähle, die lange Zeit als Garanten für unsere Gesellschaft galten, die zum Wohl und Besten der Menschen im Gesamten handeln, haben das Vertrauen weiter Teile der Bevölkerung verloren. Wir erleben immer mehr extremistische Strömungen auf der Welt und auch bei uns und sehen wieder Männer an der Macht, deren Leitlinien mir zumindest äußerst fragwürdig erscheinen. Wir hören, dass Empathie als grundlegende Schwäche ausgelegt wird. All das macht mir Sorgen und da kann ich aus christlicher Sicht nur sagen: „Nein, so nicht! Wir haben eine Verantwortung, von Gott, für diese Welt, für seine Schöpfung und seine Geschöpfe“. Aus dieser christlichen Verantwortung heraus, die dem Leben dient, wollen wir reden und handeln. Dabei lernen wir aus unserer Geschichte. Wir haben einen Auftrag von dem, in dessen Namen wir Kirche sind.
Kyriake, der Herr der Kirche ist Christus. Es ist der, der die Herrschaftsverhältnisse auf Erden umgekehrt hat. Es ist der König der Welt, in einem Stall in Bethlehem geboren. Wir vertrauen auf den, der das Reich Gottes verkündet, uns zur Buße und Umkehr aufruft. Er, der auf alle Menschen zugegangen ist und auch um die Sünder seiner Zeit keinen weiten Bogen geschlagen hat. Im Gegenteil, er ist gekommen zur Vergebung der Sünde, zum Heil für die Welt, zur Erlösung. Es ist der, der uns seinen Frieden gibt, nicht wie die Welt gibt. Es ist der, der in der Bergpredigt auch zu uns spricht:
„Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
Es ist der 19. März, wir erinnern und gedenken und beten für Versöhnung und Frieden. Zugleich sind wir als christliche Gemeinden mitten in der Passionszeit. Es ist die Zeit, in der wir in besonderer Weise des Leidens in der Welt gedenken und auch des Leidens Jesu. Wir spüren in diesen Tagen auf dem Weg zum Osterfest dem nach, was das Kreuzesgeschehen für uns und unseren Glauben bedeutet. Passion, das heißt Leidenschaft und Leiden. Aus Liebe zu uns Menschen und zu seiner Welt ist Gott den Weg bis an das Kreuz gegangen.
Jesus ist für uns gestorben, von der Welt gerichtet, hat er die Welt überwunden.
Wir können da wohl nicht alles verstehen, doch wir können als Christinnen und Christen vertrauen, dass es so ist.
„Eli, eli, lamah sabachthani – Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ – Es ist auch eines der sieben letzten Worte Jesu am Kreuz.
Jesus stirbt den Kreuzestod. Gott, der Allmächtige, er stirbt – undenkbar.
Gott, der im Himmel thront, er kennt und er erlebt Leiden, und er erfährt offensichtlich am Kreuz einen Moment der annähernden Gottverlassenheit.
Gott weiß, was Leiden heißt, weil er es selbst erlebt hat. Für mich eine der zentralen Botschaften der Passionszeit und des christlichen Glaubens.
Gott weiß, was Leiden heißt und ist bei den Menschen, auch den Opfern von Krieg und Gewalt, auch in den Bombennächten des Lebens.
Jesus betet am Kreuz zu seinem Vater. Er betet Worte seiner jüdischen Tradition. Er fragt Gott und stellt ihn in diesem Moment in Frage, und zugleich, indem er zu ihm betet, bleibt er in der Beziehung zu Gott.
Der Psalm 22 geht weiter. Dort heißt es: „Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.
Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.
Aber du bist heilig, der du thronst über den Lobgesängen Israels.
Unsere Väter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen heraus. Zu dir schrien sie und wurden errettet, sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.“
Der Psalm 22 geht weiter und zeugt von der Hoffnung, dass es auch mit dem Leben weitergeht, weil Gott Zukunft ermöglicht, hier auf Erden und in seiner Ewigkeit.
Der Moment der scheinbaren Gottverlassenheit ist also nicht das Ende.
Der Tod hat nicht das letzte Wort. Darauf vertraut der Psalmbeter, darauf vertrauen auch wir.
In dieser Gewissheit betet auch Jesus zu seinem Vater.
Wir vertrauen darauf, dass unsere Toten bei Gott wohl geborgen sind.
Wir vertrauen darauf, dass Gott die Macht hat, alles zum Guten zu wenden.
Wir beten, dass er es auch tun möge, und uns hier bereits zu Werkzeugen seines Friedens und seiner Versöhnung macht.
Wir wagen – trotz allem – den Traum von Frieden und Versöhnung.
Albert Schweitzer hat einmal formuliert:
„Die höchste Erkenntnis, zu der man gelangen kann, ist die Sehnsucht nach Frieden.“
Möge Gott in uns und allen Menschen die Sehnsucht nach Frieden wachhalten – oder auch wecken.
Möge er uns Hoffnung und Zuversicht schenken, dass wir uns in Wort und Tat für den Frieden einsetzen.
Mögen wir spüren und erleben, dass Gott uns und seine Welt nicht verlassen hat und uns mit seinem Segen und seiner Liebe begleitet.
Darum bitten wir, im Gedenken der Opfer und in Hoffnung auf Frieden.
AMEN
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Predigttext aus Epheser 5, 15-20:
„15 So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, 16 und kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse. 17 Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. 18 Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen. 19 Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen 20 und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.“
Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
als ich mich auf diese Predigt vorbereitete, habe ich überlegt, welche guten Nachrichten und Schlagzeilen das Jahr 2024 geprägt haben. Mir kamen die durchwachsenen Schlagzeilen ins Bewusstsein: Donald Trump wird im Wahlkampf angeschossen und später erneut zum US-Präsidenten gewählt. In Dresden stürzt die Carolabrücke ein. Die Ampel-Koalition zerbricht und der Kanzler stellt die Vertrauensfrage. In Magdeburg rast ein Auto auf dem Weihnachtsmarkt in die Menschenmenge. Und noch immer herrschen Krieg und Terror in der Ukraine und im Heiligen Land. Was ein Jahr.
Fast wäre man ja schon versucht zu sagen, es sei gut, dass die Olympischen Spiele in Paris und auch die EM in Deutschland ohne einen Terroranschlag über die Bühnen gingen – aber ist das wirklich eine gute Nachricht, wenn man damit gerechnet hätte?
Gute Nachrichten habe ich tief aus meinem Gedächtnis kramen müssen: vielleicht sind Neuwahlen doch besser als Dauerstreit. Und auch Syrien ohne Assad verspricht Zukunft, wenn alle Gruppierungen an einem Strang ziehen.
Und dann wie ein Phoenix aus der Asche: Notre-Dame strahlt wieder in Paris. Diese Nachricht passte wie keine andere in die Vorweihnachtszeit: Notre-Dame ist wieder hergestellt und geöffnet. 340.000 Menschen aus 150 Ländern haben für den Wiederaufbau gespendet – er war damit ein weltumspannendes, verbindendes Ereignis. Dass Gesellschaften mit großem Aufwand ihr kulturelles Erbe pflegen, ist und bleibt ein Hoffnungszeichen – gerade auch wenn es um eine Kirche geht, denn nicht mehr oder weniger ist Notre-Dame.
Was waren Ihre persönlichen Tiefpunkte und Highlights in 2024? Das muss ein jeder für sich beantworten. Aber für uns als Kirche kann ich sagen, dass ich von vielem positiv überrascht wurde: dass sich das neue Konsistorium so harmonisch und konstruktiv zusammengefunden hat nach der Wahl im Sommer. Dass auch manche Veranstaltung besser besucht wurde, als gedacht und geplant. Und wir sind auch nur um sechs Personen geschrumpft als Gemeinde – was natürlich negativ ist, aber im Vergleich zu anderen Kirchen ziemlich wenig – Gott sei‘s gedankt!
Und nun blicken wir nach vorne, ein neues Jahr beginnt. Dazu eine kleine Anekdote: Ein Mann auf einer Neujahrsfeier wendet sich an seinen Nebenmann und bittet um eine Zigarette. „Ich dachte, Du wolltest im neuen Jahr mit dem Rauchen aufhören?“, antwortet dieser. „Ich bin dabei, aufzugeben“, antwortet der Ertappte mit einem Grinsen. „Im Moment bin ich mitten in der ersten Phase.“ „Phase eins?“ „Ja, ich habe aufgehört, mir selbst Zigaretten zu kaufen.“
Es gibt eine Statistik mit den Top 10 Jahresvorsätzen zum Jahreswechsel:
1. mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen
2. mehr Sport zu machen
3. abzunehmen
4. mit dem Rauchen aufzuhören
5. mehr das Leben zu genießen
6. weniger Alkohol
7. Schulden abbauen
8. etwas Neues lernen
9. mehr für andere zu tun
10. aufräumen und ausmisten
Welchen von diesen Punkten haben Sie sich wohl vorgenommen? Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass bei diesen Top 10 kein einziger kirchlicher oder spiritueller Punkt dabei ist. Das finde ich schade. Dass man nicht zumindest einen Punkt für Glauben oder Gott übrighat. Der heutige Predigttext erinnert uns daran, wie wir auch unser neues Jahr leben können: Seien Sie vorsichtig, wie Sie leben, nicht unklug, sondern weise. Machen Sie das Beste aus jedem Tag, denn es gibt auch viel Böses, was uns begegnet. Und seien Sie nicht blind und taub für das, was der Wille Gottes ist.
Seien Sie vorsichtig im Leben. Seien Sie vorsichtig in der Art, wie Sie leben und rechnen Sie mit Gott. Aber wie schnell wird auch das neue Jahr uns wieder Hetze, Sorgen, Stress und vieles mehr bescheren!?! Und wenn wir so abgelenkt sind, verlieren wir nicht nur unsere guten Vorsätze aus dem Blick, sondern mancher verliert sich vielleicht selbst und fühlt sich wie ausgebrannt, kraftlos für den nächsten Tag.
Das erinnert mich noch einmal an Schlagzeilen aus 2024: Wegen fehlerhafter Verschraubung eines Kabelschuhs musste Mercedes weltweit rund 341.000 Fahrzeuge zurück in die Werkstatt rufen. Und dann der zweite Schreck: Wegen eines Softwarefehlers musste der Hersteller weltweit nochmal 260.658 Fahrzeuge zurückrufen. Auch andere Automarken hatten solche Rückrufaktionen.
Vielleicht brauchen wir alle auch dann und wann eine Rückrufaktion in Bezug auf unser Leben, weil wir nicht immer richtig funktionieren. Manchmal blockiert der innere Motor und man spielt verrückt. Denn egal, wie gut wir sind, manchmal scheitern wir und treten auf der Stelle. Dann brauchen wir das gute Wort Gottes, das uns wieder aufrichtet, Hoffnung und Perspektive schenkt. Dann brauchen wir vielleicht ein Gespür der Nähe Gottes, dass wir nicht alleine in diesem Leben unterwegs sind. Dass die Herausforderungen vielleicht nicht schnell und einfach zu bewältigen sind, aber dass wir Kraft und Durchhaltevermögen geschenkt bekommen.
Meine Lieben, dies alles können wir so oft von Gott hören und lesen, aber es scheint, dass wir, gerade in den dunklen Zeiten unseres Lebens, nicht empfänglich sind. Und so machen manche Menschen einfach immer wieder die gleichen Fehler, auch wenn sie wissen, dass es falsch ist. Und eines Tages stellen sie erschrocken fest, dass sie auf dem Holzweg sind, oder in ihrem Leben falsche Schwerpunkte gesetzt haben.
Seien Sie also vorsichtig mit Ihrem Leben im neuen Jahr und auch, wie Sie leben und rechnen Sie viel mehr mit Gott. Ich weiß, das hört sich nun durchaus fromm an. Aber braucht unsere Zeit nicht viel mehr Glauben? Könnte 2025 ein Jahr des Glaubens werden, für uns persönlich, für uns als Kirche und für uns als Land?
Viele Menschen fragen sich ja, was ihnen Religion überhaupt bringen würde. Dabei übersehen sie, dass Glaube zunächst mit ihrer Haltung gegenüber Gott und gegenüber den Mitmenschen zu tun hat. Die Bibel lehrt uns, dass, wenn wir Gott und unsere Mitmenschen lieben, auch uns Gutes widerfahren wird. Anstatt immer zuerst an sich selbst zu denken, sollten wir an Gott denken. Und dieser Blickwinkel befreit uns vielleicht auch von ewig kreisenden, negativen Gedanken um uns selbst.
Ein Psychologe schreibt: „Früher dachte ich, dass sich die Leute beschwert haben, weil sie viele Probleme hatten. Aber mit der Zeit wurde mir klar, dass sie Probleme haben, weil sie sich beschweren. Beschweren nämlich ändert nichts und macht Situationen auch nicht besser. Es verstärkt nur die Frustration, verbreitet Unzufriedenheit und Uneinigkeit und kann fast teuflisch unser Leben verwüsten.“
Wäre es nicht ein guter Vorsatz zum Jahreswechsel, als ein positiver, dankbarer Mensch die kommende Zeit zu leben? Positive Menschen bringen Licht in diese dunkle Welt, wie Jesus selbst das Licht der Welt ist und durch uns scheinen möchte.
Dabei möge uns die Jahreslosung für 2025 eine gute Richtschnur sein: Paulus schreibt in 1. Thessalonicher 5: „Prüft aber alles und behaltet das Gute.“
Dieser Satz fordert uns auf, unsere vorgefassten Meinungen zu hinterfragen. Wir sollen uns nicht von Vorurteilen leiten lassen, sondern unsere Urteile sollten auf gemachten Erfahrungen basieren. Manche Dinge muss man ausprobieren, um zu wissen, ob sie gut sind oder nicht. Das gilt auch für den Glauben. Man kann noch so viel über ihn wissen, man kann von anderen davon hören oder gute Argumente dafür erhalten. Aber wenn man den Glauben nicht selbst ausprobiert, wird man nie erfahren, ob er einem guttut. Darum ist es mir wichtig, den Glauben nicht nur zu erklären, sondern ihn als eine Art Experiment zu verstehen: wo und wie begegne ich Gott und ER mir.
Doch in der Jahreslosung steckt auch eine Warnung. „Prüft alles“ bedeutet nicht, unbedacht alles auf einmal zu versuchen. Manchmal kann man sich überfordern. Denn auch im Glauben kann es passieren, dass Menschen sich überfordern. Sie nehmen sich zu viel vor und scheitern dann. Vielleicht sagen sie danach: „Das hat mir nichts gebracht.“ Aber oft liegt das Problem nicht am Glauben selbst, sondern daran, dass man zu große Schritte gewagt hat. Kleine Schritte sind der Schlüssel, um den Glauben zu entdecken.
„Prüft alles und behaltet das Gute“ heißt auch, achtsam zu leben – und das ist der Bogen zum heutigen Predigttext. Ich sagte: Seien Sie vorsichtig im Leben. Seien Sie vorsichtig in der Art, wie Sie leben und rechnen Sie mit Gott. Fragen wir uns also: Tut mir das, was ich tue, wirklich gut? Hilft es mir, mein Leben zu gestalten? Lässt es mich wachsen, menschlich und im Glauben?
Unser Glaube ist ein Wagnis, das in kleinen Schritten angegangen werden sollte. Auch 2025 kommt nicht auf einmal, sondern in 365 Tagen zu uns. Der Glaube nimmt mir Angst, er tröstet mich, und er lässt Dankbarkeit in mir wachsen, all diesen Tagen begegnen zu können und gewachsen zu sein.
Gott behüte und segne das neue Jahr und all Ihr Tun und Lassen. AMEN

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Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
vor allem Ihr, liebe Jubelkonfirmandinnen, liebe Jubelkonfirmanden,
werte Gäste im Tempel unseres Glaubens,
liebe Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche!
1964, 1959, 1954 und 1949 wurden Sie hier oder in einer anderen Kirche konfirmiert. Das sind die Jahre, in denen 1949 unsere Bundesrepublik gegründet wird, Rosinenbomber gen Berlin eine Luftbrücke bilden und die Nato Schutz für die westliche Welt verspricht. Der Roman 1984 von George Orwell wird veröffentlicht.
1954 kommt die Krim zur Ukraine, in den USA wird die Rassentrennung an den Schulen aufgehoben, Theodor Heuss wird als Bundespräsident wiedergewählt, Burger King eröffnet sein erstes Restaurant und Deutschland wird mit Sepp Herberger in Bern Weltmeister – ein Wunder. Angela Merkel wird geboren.

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Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
vor allem Ihr, liebe Konfirmanden,
werte Gäste im Tempel unseres Glaubens,
liebe Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche!
Als ob es gestern gewesen wäre. Ihr erinnert Euch sicher auch noch. Da hattet Ihr Euren ersten Kindergartentag – mancher in der Dammstraße, mancher woanders. Da hattet Ihr wohl auch Tränen in den Augen, weil Ihr Euch von Eurer Mama oder Eurem Papa vielleicht für einen ganzen Tag verabschieden musstet. Aber viele von Euch wurden dann in den Armen von Miriam Trapani getröstet, die auch wieder mit uns auf Konfifahrt war. Dann begann der Ernst des Lebens: mit einer Schultüte und einem vielleicht viel zu großen Schulranzen ging es in die Schule.
Und dann begann der Konfirmandenunterricht. Bei Euch vor vier Jahren in der Corona-Zeit, so dass wir am Anfang gar nicht viel Zeit miteinander verbringen konnten. Aber als wir dann richtig eingestiegen sind, musstet Ihr Euch daran gewöhnen, dass ich zu jedem Unterrichtsbeginn erst einmal abgefragt habe, was Ihr denn in der Schule gerade in Religion durchnehmt. Überrascht bis erschrocken war da meistens meine Reaktion.

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Liebe Gemeinde,
besonders natürlich Sie,
lieber Herr Keller und alle Johanniter,
Gäste im Tempel unseres Glaubens,
als ich mich auf diesen Gottesdienst vorbereitete und nach einem passenden Bibeltext suchte, wurde ich von zwei Fragen geleitet: soll es um Leitung und Aufgabenverteilung gehen oder soll es ein Erinnern an die Nächstenliebe sein, die der Ursprung der johannitischen Bewegung im diakonischen Bereich bildet. Ich habe mich für letzteres entschieden, und ein Gleichnis Jesu ausgesucht, welches wir alle wohl kennen und auch die Aufgabenverteilung berührt, aber hören wir es zunächst selbst, es braucht ja gar nicht viel Erläuterung:
Im Lukasevangelium 10. Kapitel, heißt es: Die Frage nach dem ewigen Leben. Der barmherzige Samariter
25 Und siehe, da stand ein Gesetzeslehrer auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe? 26 Er aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du?