Predigten
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Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
liebe Gäste im Tempel unseres
Glaubens,
nun ist das neue Jahr schon einige Tage alt. Es steht unter der Jahreslosung: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Wir haben diesen Vers im Kontext eben als Predigttext gehört.
Einige Ansprachen, Andachten und Predigten habe ich mittlerweile dazu gehört. Und viele gingen vor allem um eines – und um es zu verdeutlichen, habe ich mir einmal eine Requisite mitgebracht: Man muss halt manchmal die rosa Brille aufsetzen, um die Welt lieb zu zeichnen. Man muss in Liebe fünf auch einmal gerade sein lassen und vor allem Liebe verzeiht doch alles und trägt nichts nach. So hat es ja auch Paulus im Hohenlied der Liebe im selben Brief an die Korinther geschrieben.
Aber sind wir einmal ehrlich: wir können nicht immer mit einer rosa Brille im Leben herumlau-fen. Und so schön es wäre, in einer Welt voller Liebe zu leben, die Realität ist eine andere. Hat dies der Apostel Paulus etwa übersehen? Ist er etwa blind vor Liebe vor den Herausforderungen?
Ich bin der Jahreslosung im Kontext gefolgt und stellte etwas Erschreckendes fest. Hierin geht es gar nicht um Flower-Power und Friede, Freude, Eierkuchen. Ganz im Gegenteil – Paulus hat ein ernstes Anliegen.
Um das zu verdeutlichen, ist mir ein verstorbenes Gemeindeglied eingefallen, das mir über Jahre hinweg zur Herausforderung wurde. Sie litt an einer seltenen Krankheit: Narkolepsie – eine Art Schlafkrankheit. Bei ihr äußerte sie sich, dass sie plötzlich von einer Schlafattacke heimgesucht wurde.
Dies konnte sogar mitten während eines Gesprächs passieren. Aber auch während eines Spaziergangs auftreten. Zum Glück hatte sie einen Rollator und lief dann einfach mit geschlossenen Augen und fast ohne Bewußtsein weiter. Es ist nie etwas passiert, aber was wäre gewesen, wenn sie einmal vor ein Auto gelaufen oder in den Main gefallen wäre?
Vielleicht hatte der Apostel solche Menschen im Blick, als er seinen Brief formulierte. Nicht kör-perlich Betroffene, sondern Menschen mit einer spirituellen Schlafkrankheit: sie liefen irgend-wie durch ihr Leben und verschliefen doch die christliche Botschaft.
Spirituelle Schlafwandler sind sich oft der spirituellen Gefahren, die sie umgeben, völlig unbe-wusst, und was sie nicht wissen, kann ihnen und anderen schaden.
Das war es, worüber sich der Apostel Paulus bei den Korinthern beklagte, als er seinen ersten Brief an sie Mitte 50 n. Chr. abschloss. Ich stelle mir vor, dass er sich, als er den Brief abschloss, überlegte, was er seinen Geschwistern im Glauben sagen solle, um zu verhindern, dass sie noch weiter von Christus entfernten.
Denn die Gemeinde in Korinth war durchaus eine Herausforderung: Es gab Streit darum, wann eine Taufe gültig sei und ob es vom Taufenden abhinge. Dann gab es Ärger um das Heilige Abendmahl: während manche nichts mehr zu essen bekamen, waren andere schon satt und betrunken, bevor die Mahlfeier überhaupt anfangen konnte. Sie nahmen es mit der Moral nicht so ernst und nach damaligen Verständnis gab es einige Ausschweifungen. Und vor allem relativierten sie den Kreuzestod Christi und stellten ihre eigene Weisheit über Gott und waren auch noch stolz darauf.
Da muss sich der Apostel doch gedacht haben, dass diese Korinther einen sehr leichten Blick auf ihr geistliches Leben nahmen und vor allem dass sie wie Schlafwandler durch das Leben gingen, als gäbe es keine wirklichen Gefahren für ihren eingeschlagenen Weg des Glaubens.
Und deshalb beginnt unser heutiger Predigttext mit seiner Aufforderung: (V.13) „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark!“ Aufwachen hieß es für die Korinther und ich meine, dass auch für unsere Zeit, in der alle Kirchen und Gemeinden sich in einer Krise oder Umbruchszeit befinden, diesen Ruf zur Wachsamkeit nötig haben.
Denn die Kirche in Korinth ging verschlafen ihren Weg durch ihr geistiges Leben und er-kannte dabei nicht, dass diese Welt und die unsichtbare spirituelle Welt voll von Versuchungen und ja, so möchte ich es nennen: auch böser Geister war. Sie waren geistig nicht wachsam gewesen. Ihr laxer Umgang mit dem Christentum und die geistlichen Gefahren in ihrem heidni-schen Klima hatten zu Stolz, Spaltungen unter ihnen, Cliquen, Rechtsstreitigkeiten, Götzen-dienst, Ausschweifungen und dem Missbrauch spiritueller Gaben und der Verwicklung in fal-sche Lehren geführt.
Deshalb ermahnt er die Korinther: „Seid auf der Hut und aufmerksam, steht im Glauben, seid mutig und stark! Und lasst alles, was ihr tut, in Liebe geschehen.“ Dieses „seid wachsam“ gilt bis heute. Denn die Welt, die uns umgibt, mit ihren politischen und wirtschaftlichen Systemen, versuchte und versucht noch immer – vielleicht stärker denn je – den christlichen Glauben an den Rand zu drängen oder für eigene Ziele zu missbrauchen. Manchmal passiert dies offen, etwa wenn ich an die zunehmenden Christenverfolgungen weltweit denke; manchmal heimlich, still und leise, wenn versucht wird, christliches Leben zu erschweren und die Existenz von Kirche in Frage zu stellen.
Wer wachsam ist, kann dann auch fest im Glauben stehen. Ich denke, wenn Paulus hier über „den Glauben“ spricht, spricht er sowohl über den Inhalt des Glaubens – die biblischen und dogmatischen Lehren, aber auch im Hinblick auf Verhaltensweisen. Wir müssen die Wahrheit des Evangeliums, die Wahrheit dessen, was die Bibel lehrt, erkennen und dann daraus folgern, dass der Glaube zu einem guten Handeln führen wird.
Deshalb werde ich in Gesprächen und Diskussionen immer nervös, wenn die Heilige Schrift infrage gestellt wird. Wenn man zu schnell sagt, dass sie nicht mehr zeitgemäß ist oder wir heute doch in einer anderen Welt leben als damals. Wirkliche Glaubenswahrheiten sind zeitlos und wenn wir unsere Fähigkeit trainieren, den Unterschied zwischen Wahrheit und Irrtum zu erkennen, dann müssen wir auch zu der erkannten Wahrheit stehen und müssen standhaft bleiben.
Ja, das braucht manchmal Mut und dazu ermutigt uns auch der Apostel. Viele Menschen haben Angst, sind unsicher, fühlen sich nicht berufen, wenn sie gegen falsche Lehre und Kompromisse Stellung beziehen sollen. Damals in Korinth wurden solche mutigen Männer und sicher auch Frauen von ihren eigenen sogenannten Mitgläubigen verfolgt, angeklagt, verleumdet und möglicherweise sogar abgelehnt.
Glaube braucht eben auch immer Mut. - Sicherlich haben wir dies mit der Zeit verlernt, da wir es ja gut im vermeintlich christlichen Abendland hatten. Aber haben sich die Zeiten nicht längst geändert? Braucht es nicht viel mehr mutigen Glauben? Im griechischen Urtext ist das Verb übrigens in der Passivform. Und dann könnte es wie folgt übersetzt werden: „lasse dich mutig machen!“ Sicherlich denkt Paulus, dass diese Frage des mutigen Festhaltens im Glauben nicht etwas ist, was wir aus unserer eigenen Stärke heraus tun können. Wir müssen von Gott stark gemacht werden. Wir müssen für den Mut und die Kraft beten, wenn alle Kräfte des Bösen gegen uns aufstehen, weil wir für das einstehen, was aus der Perspektive Gottes richtig ist.
Meine Lieben! Und dann, nach diesen auffordernden und ermahnenden Worten, folgt der Vers der Jahreslosung: (V14) „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“ Paulus wird oftmals als Hardliner bezeichnet, der das Evangelium ungnädig auslegt. Ich möchte eine Lanze für ihn brechen, denn er hat durchaus auch mit gnädigen Augen den Menschen im Blick.
Ein Beispiel: Paulus hält an der Unauflöslichkeit der Ehe fest. Aber er erlaubt den Korinthern sich dann doch scheiden zu lassen, wenn der Glaube ein Ehepaar spaltet. Und er vertritt auch die Einmaligkeit der Ehe, stellt es aber Witwen frei, erneut zu heiraten, bevor sie unglücklich werden (1. Kor. 7).
Daraus folgt für mein eigenes Handeln als Pfarrer: auf der einen Seite muss die Lehre kompromisslos in der Öffentlichkeit vertreten werden, auf der anderen Seite gibt es Einzelfälle, wo die Lehre durch die Liebe eine große Weite erfährt. Und ich denke, dass dies auch richtig so ist: was wäre es für eine Hochzeit, wenn der Pfarrer im schönsten Augenblick von Scheidung und Trennung und neuen Chancen sprechen würde. Nein: dies hat dann erst in der Seelsorge seinen Platz.
Leider wurde und wird das „Liebes-Argument“ oft missbraucht, um möglichen Streit aus dem Weg zu gehen und sich einander anzubiedern.
Meine Erfahrung aber ist, dass mit kleinen Kompromissen oftmals der Weg in die Bedeutungslosigkeit eingeschlagen wird. Oftmals sicherlich aus guten Motiven. Wenn ein Nachbar neu einzieht, der katholisch ist, muss man ja nicht gleich über die Unfehlbarkeit des Papstes diskutieren. Oder wenn ein muslimischer Freund zum Kindergeburtstag eingeladen wird, ist sicherlich nicht der Moment, um ihm zu sagen, dass gerade er Jesus braucht, um in den Himmel zu kommen.
Wenn aus solchem liebgemeinten, nachlässigen Verhalten aber die Norm wird, beginnen wir, uns von unserem eigenen Glauben zu entfernen. Für mich gipfelt dies vor allem im religiösen Kontext darin, dass um der Liebe und Ruhe willen, der Satz scheinbar zum Dogma wurde „wir glauben doch eh alle an denselben Gott.“
Ich war dankbar, als Pröpstin Kropf-Brandauer in ihrem diesjährigen Weihnachtsinterview fol-gendes Bekenntnis ablegte: „Die These, dass alle Religionen gleich seien und alle an densel-ben Gott glauben würden, ist ein Irrglaube. Aus biblischer Perspektive glauben nur Juden und Christen an denselben Gott. (HNA)“.
Wann haben Sie das letzte Mal einen Kirchenvertreter von Häresie (Irrglaube) sprechen hören? In Hanau sind wir doch seit geraumer Zeit andere Äußerungen gewöhnt – bedenklich, aber beruhigend, eine wachsame und mutige Frau in einem Leitungsamt zu erleben!
Liebe, Verständnis und Toleranz darf also niemals zur Aufgabe des eigenen Glaubens führen.
Liebe ist aber die Kraft, aus der heraus wir in allen Lebenslagen unseren Glauben bekennen sollen. Liebe hat ein großes Herz für den einzelnen, aber ein noch größeres für die Wahrheit des Glaubens.
Was würde Paulus wohl heute den Kirchen und Gemeinden in Deutschland sagen? Wacht auf! Stoppt das Schlafwandeln und erkennt die Zeichen der Zeit. Steht fest und mutig in eurem biblischen Glauben – der Glaube, der einst den Heiligen im Neuen Testament, von den Aposteln gegeben wurde.
Geschwister im HERRN! In den folgenden Versen nennt der Apostel deshalb auch einige seiner Freunde und Mitarbeiter, an denen sich die Gemeinde auch orientieren kann und soll. Es ist interessant, was er über den Haushalt von Stephanas sagte.
Stephanas und sein Haushalt hatten sich dem Dienst der Heiligen gewidmet. Ich vermute, dass sie in der Lage waren, sich ganz dem christlichen Dienst in der Kirche von Korinth zu widmen. Wahrscheinlich hatte er keine offizielle Ordination oder ein Amt, um sich zu engagieren. Und solche Menschen braucht es bis heute, denn alle arbeiten gemeinsam im Weinberg Gottes – nicht nur die Hauptamtlichen.
Paulus schließt dann seinen Brief mit den typisch persönlichen Grüßen, die in vielen seiner Briefe vorkommen. Doch inmitten seines Segens an die Korinther haben wir einen seltsamen Vers, der scheinbar wenig Herzlichkeit ausdrückt.
Es gibt wohl eine Gruppe von Menschen, die vielleicht zumindest in Korinth zur sichtbaren Kirche gehören, die er aber nicht segnet. Er verflucht sie! Können Sie sich vorstellen, dass, da er endlich zu einem herzlich abschließenden Teil seines Briefes kommt, er noch immer etwas Gift in seinem Stift hat: (V22:) „Wenn jemand den Herrn nicht liebt, soll er verworfen werden.“
Warum sollte Paulus gezwungen sein, einen so negativen Kommentar inmitten von so viel Segen und Liebe zu machen? Ich vermute, es liegt daran, dass der Apostel wusste, dass die Probleme in Korinth nicht alle auf das Konto von Gläubigen gingen, sondern Ungläubige, die sich in die Kirche eingeschlichen hatten und die die Gemeinde durcheinanderbrachten. Davon haben wir auch bereits in der Lesung gehört: (V 4:) „Denn es haben sich einige Menschen eingeschlichen, über die schon längst das Urteil geschrieben ist: Gottlose sind sie, verkehren die Gnade unseres Gottes ins Gegenteil, in Ausschweifung, und verleugnen unsern alleinigen Herrscher und Herrn Jesus Christus.“
Carissimi! Wie also gehen wir in das Jahr 2024 unter der Jahreslosung: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“? Ich würde mir wünschen, dass wir aufwachen und wach bleiben und uns mehr über den Glauben austauschen und auch mehr über den Glauben reden, bei uns in der Kirche und hinein in die Stadt Hanau. Dass wir einen Standpunkt vertreten, an dem sich Menschen orientieren können und vielleicht wieder einen Weg zurück zur Kirche finden.
Ich würde mir wünschen, dass aus unserem Glauben eine liebende Offenheit entsteht, die Menschen anspricht. Kompromisslos im Glauben, aber zugewandt in der Liebe. So wie es schließlich auch im Judasbrief zu lesen war: „21 und bewahrt euch in der Liebe Gottes und wartet auf die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus zum ewigen Leben. 22 Und erbarmt euch derer, die zweifeln; 23 andere reißt aus dem Feuer und rettet sie; anderer erbarmt euch in Furcht, wenn ihr auch das Gewand hasst, das befleckt ist vom Fleisch.“
Und ich schließe mit Paulus: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“ AMEN
- Es gilt das gesprochene Wort! -
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Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
vor allem Sie, liebe Konfirmations-Jubilare,
liebe Gäste im Tempel unseres Glaubens,
werte Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche,
1948, 1953, 1958, 1963 und 1973 wurden Sie hier oder in einer anderen Kirche konfirmiert. Die beiden ersten Jahrgänge nach dem Krieg wahrscheinlich in der Nussallee, ab 1963 und 1973 dann hier in der wieder auferbauten Kirche. Sie waren meistens große Jahrgänge – nicht wenige Ihres Jahrgangs sind bereits verstorben oder nicht mehr mobil, so dass sie heute diesen Gottesdienst nicht mit uns feiern können.
Es waren immer spannende Jahre, in denen Ihre Konfirmation stattfand: 1948 wurde Berlin durch eine Luftbrücke ernährt und der Staat Israel wurde ausgerufen, was leider nicht zum erhofften Frieden in der Region führte. Aus Dankbarkeit wurde in den USA für schwarze Soldaten die Rassentrennung beim Militär aufgehoben, erst 20 Jahre später dann in allen Bereichen.
1953 fand am 17. Juni der Aufstand in der DDR statt, Stalin starb und Elisabeth II. wurde in der Westminster Abbey gekrönt – meine Generation hat erst in diesem Jahr wieder eine Krönung in England erlebt. Fidel Castro putscht sich in Kuba an die Macht. „Lukas, der Lokomotivführer“ und „Urmel aus dem Eis“ wurden im Fernsehen aus der Augsburger Puppenkiste übertragen.
1963 wurde Kennedy ermordet, Paul VI. wurde in Rom zum Papst gewählt. Martin Luther King hielt seine bekannte Rede „I have a dream“ und Konrad Adenauer ging in Rente. Seit diesem Jahr gehört „Dinner for one“ zum festen Fernsehbestand an Silvester und das ZDF nahm seinen Betrieb auf.
1973 schließlich brachte die Ölkrise mit sich. Helmut Kohl wird Vorsitzender der CDU. Die USA wunderten sich über die Watergate Affäre, freuten sich aber über die Zwillingtürme des World Trade Centers. Und in der Bundesliga durfte endlich Trikotwerbung stattfinden und die Vereine wurden reich.
Und ohne eine große Schlagzeile wurden Sie in diesen Jahren konfirmiert. Manches kommt uns wie gestern vor, bei anderem müssen wir nachdenken, ob wir uns noch erinnern. Erinnern hat auch viel mit Gnade zu tun – zu entdecken, wie weit man es im Leben gebracht hat, was man sicherlich auch der Hilfe Gottes zu verdanken hat.
Zu diesem Gott haben wir uns alle heute Morgen aufgemacht. Wir sind gekommen in sein Haus, welches das Zentrum unserer Wallonisch-Niederländischen Kirche ist. Das ist sein Heiligtum. Das ist nicht nur ein Ort der Anbetung, sondern regelrecht eine Wohnstätte, in der die Gottheit haust, mit Türen zum Ein- und Ausgehen. Menschen haben sich das schon immer auch so vorgestellt. Schon vor urlanger Zeit. Dass ein Gott die Menschen begleiten könnte, dieser Gedanke ist innerhalb der Menschheitsgeschichte relativ jung. Bei ihm zu wohnen, in seinem Tempel, das ist einfach schön! Wie es auch im Psalm anfangs lautete: Ich möchte bleiben im Hause des Herrn – der seinen Platz in jeder Konfirmation hat.
Doch sobald wir Menschen mobil werden, sobald wir unseren Lebensraum ausweiten, Wohnungen wechseln und lange Wege gehen, brauchen wir Begleitung und dies wurde Ihnen damals als Konfirmanden auch zugesprochen.
Diese Entdeckung, dass Gott versprochen hat, uns zu begleiten, ist der Anlass für das dankbare Zurückblicken auf eine Konfirmation. Damals, vor 50, 60, 65, 70 und 75 Jahren wurden Sie konfirmiert. Sie haben damals „ja“ gesagt zu Ihrer Taufe und damit zu Gott. Im Vertrauen, dass Gott alle Wege begleitet, wo immer sie auch hinführen. Lange Wege mitunter, in entfernte Ecken unseres Landes, unseres Kontinentes, unserer Welt. Der Zeitraum, den wir überblicken, ist in seiner Art unglaublich vielfältig gewesen. Und damit meine ich Ihr Leben, nicht jenes, welches in den Geschichtsbüchern zu finden ist.
Die Ersten unter Ihnen haben das Fest gefeiert unter dem Eindruck des Krieges im Nachkriegsdeutschland. Überstanden war er, mit furchtbaren Folgen. Zerbombte Städte, kaputte Kirchen, aber das Fest der Konfirmation wurde gefeiert. Welche Ängste, welche Not war damals wohl noch in Ihnen? Gab es das Gefühl des Aufbruchs? Es gab wieder Ziele, es gab wieder die Möglichkeit, eine Zukunft zu haben.
Heute erinnern Sie sich daran. Vielleicht spüren Sie, dass Gott weite Wege mit Ihnen zurückgelegt hat. Sie haben viele Pforten, viele Türen aufgetan. Türen des Lebens waren es. Dazwischen sind es sicher hin und wieder die Pforten einer Kirche gewesen, durch die Sie gegangen sind.
Meine Lieben! Leben ist Zeit, wie es der Prediger in der Lesung sagte. Leben, das sind Bilder, die ich erinnere, Momente, die ich bewahre, Räume, die ich durchschreite. Menschen gehen von Raum zu Raum. Leben bietet Lebensraum, der nach bestimmten, nicht immer zu durchschauenden Regeln erobert und dann wieder verlassen wird. Dazwischen sind Türen, die wir mehr oder weniger energisch auftun.
Es beginnt mit der Geburt. Die erste menschliche Wohnung, der Mutterleib, wird verlassen. Wenn der Mensch Glück hat, dann findet er draußen eine gute Stube vor. Ein meist kleines
Zimmer, das allmählich zur Welt wird. Der Mensch erobert mit allen Sinnen diese Kinderzimmer-Welt. Riechen, schmecken, hören. Sehen, anfassen und begreifen. Ach, die Welt ist aufregend!
Dann aber kommt der große Tag, an dem der Mensch die erste Tür selbstständig öffnen kann. Eine neue Welt liegt vor ihm. Es ist immer die Frage, ob der Mensch, ob wir es wagen können, diese neuen Welten zu erobern. Wagen wir den Schritt über die Schwelle? Noch gibt es Eltern, die aufpassen, dass wir die richtigen Türen öffnen. Noch leben wir behütet.
Welche Türen gibt es noch in Ihrer Erinnerung? Das große Portal, das den Beginn der Schulzeit kennzeichnet, kann man nicht allein öffnen. Dazu muss die Zeit reif sein. Einschulung! Lange Gänge gibt es, merkwürdige Gerüche kennzeichnen diese Häuser. Menschen, die unterrichten. Manche werden verehrt, manche werden gefürchtet. Schuljahre, in denen dieses erste Portal dann bald selbstverständlicher Durchgang geworden war.
Irgendwann verlässt man die Schule und das Portal schließt sich. In dieser Zeit liegt auch der Gang zur Kirche, um den Konfirmationsunterricht zu besuchen. Auch eine Tür, die sich öffnet und dann wieder schließt. Man tritt hinaus und geht seinen Weg. Neue Welten liegen vor den Menschen, unterschiedliche Wege. Manch einer klopft an die Tür eines Meisters, um die Lehre zu beginnen. Oder das Lernen geht auf der Schulbank weiter, nur, dass es jetzt Studium heißt. Aber auch hier gibt es Türen, die aufgemacht werden müssen. Das Schlottern der Knie vor der Prüfung am Ende dieser Zeit, das wird wahrscheinlich in allen Jahren dasselbe geblieben sein.
Andere Türen sind aber auch wichtig. Wieder kann es die Kirche sein, in die man einzieht. Feierlich, aufgeregt und geschmückt. Frauen und Männer feiern ihre Begegnung, ihr Glück. Manch eine wird über die Schwelle getragen, hinein in einen neuen Lebensraum. An die Tür, die nun gemeinsame, wird ein neues Namensschild geschraubt. Und das Leben geht weiter. Neue Menschen werden geboren, Familien wachsen. Türen öffnen sich und schließen sich. Es kommt die Zeit, in der ich darüber nachdenken kann, durch wie viele ich gegangen bin. Mit knapper Not bin ich durch manche noch schnell gerutscht. Bei anderen bin ich froh, wenn ich nicht daran erinnert werde! Sie bedeuten Abschied, Trennung und Schmerz. Schon an manchem Grab musste ich zusammen mit Ihnen stehen.
In den letzten Jahren haben sich Türen geöffnet, von denen wir dachten, sie wären für immer zumindest in Europa geschlossen. Wir mussten nicht nur miterleben, wie Flüchtlingsströme nach Deutschland kamen, wie die Vertriebenen nach dem Krieg oder auch die Welle von Gastarbeitern. Seit fast zwei Jahren haben wir an den Außengrenzen Europas wieder Krieg in der Ukraine, bei manchem wecken die Bilder im Fernsehen unschöne Erinnerungen.
Und seit zwei Wochen wieder Krieg in Israel und Antisemitismus auf deutschen Straßen – dachten wir nicht alle, diese Zeit wäre vorbei? Dass sich in Deutschland Juden hinter ihren eigenen Türen nicht mehr sicher fühlen? Wie gerne würde ich all diese Türen verschließen und den Schlüssel wegwerfen und niemals wieder finden.
Uns allen stehen noch so manche Türen bevor. Frohe und traurige Türen - aber durch alle, wirklich alle, können wir mutig und getröstet gehen, denn unser Gott geht mit. So, wie er uns getragen, geholfen und gestützt hat - ohne dass wir oft darüber nachgedacht haben. Egal welche Türen es waren, sind und noch sein werden – zumindest in dieser Stunde dürfen wir an Vergangenes denken und wir sagen „danke“. Danke, Gott, für deine Hand, die uns hält und trägt, die uns stützt und tröstet. Die uns streichelt und immer wieder sagt: Fürchte dich nicht, ich bin bei dir, ich halte dich bei meiner Hand auf deinem Weg in die Zukunft.
Und auch über unserer Gemeinde hält Gott durch die Zeiten hindurch seine schützende und segnende Hand. Beten wir und glauben wir, auch für unsere Wallonisch-Niederländische Kirche, die – so Gott will und wir alle tatkräftig mitanpacken – eine fantastische Zukunft haben wird. Wie es eben im 92. Psalm heißt: „Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum, er wird wachsen wie eine Zeder auf dem Libanon. Die gepflanzt sind im Hause des HERRN, werden in den Vorhöfen unsres Gottes grünen. Und wenn sie auch alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein.“
Darauf vertraue ich, davon predige ich und bezeuge es im Namen Jesu Christi. AMEN
- Es gilt das gesprochene Wort! -
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Liebe Brüder und Schwestern im HERRN,
liebe Gäste im Tempel unseres Glaubens,
und vor allem: liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,
nun ist er also endlich da: der Tag eurer Konfirmation. Und ich bin auch wieder da, nach einem halben Jahr Auszeit. Das ist kein Zufall, denn mir ist es wichtig, euch heute selbst zu konfirmieren und als mündige Christen in die Welt zu entlassen. Eure Konfirmandenzeit war keine einfache: kurz vor der Pandemie hatten wir wenig Gelegenheiten, uns zu treffen. Und dann das letzte halbe Jahr ohne mich, dafür mit einem bunten Strauß an anderen Pfarrpersonen, das war auch nicht „normal“. Zumindest haben wir aber die traditionelle Hollandfahrt gemeinsam unternehmen können. Und so habt ihr Zeugnis von eurem Wissen und Glauben im Vorstellungsgottesdienst geben können, wozu ich auch gerne angereist war.
Und nun heute also der Abschluss dieser gemeinsamen Zeit, feierlich in einem Gottesdienst, Ihr habt euch fein gemacht, denn dieser Tag ist wichtig. Aber wir wollen ehrlich sein. Kirche steht dieser Tage nicht mehr hoch im Kurs. Ihr habt euch trotzdem auf den Weg gemacht. Ihr habt gelernt und diskutiert, seid ab und zu in diese Kirche gekommen, während eure Freunde am Wochenende sicherlich andere, ggf. schönere Dinge erlebt haben. Und so werden wir euch sicherlich in der nächsten Zeit nicht mehr so oft unter uns sehen, aber vielleicht überrascht ihr uns ja auch vom Gegenteil. Unsere Zeit kennt viele interessante Dinge, die uns von der Kirche und dem Glauben wegziehen.
Und damit hat, so ehrlich wollen wir sein, auch das Elternhaus etwas zu tun. Eure Tischgespräche zuhause werden sich selten um religiöse Dinge drehen. Uns fehlt dazu irgendwie die Übung, was ich bedauere. Aber ich möchte uns allen kein schlechtes Gewissen machen, denn Gott ist größer als unsere Sprachlosigkeit. Gott lädt ein, er zwingt nicht. Und auch wir als Kirche und Gemeinde wollen eher eine Einladung aussprechen, als Zwang ausüben.
Mir ist bewusst, dass Kirche irgendwie aus der Zeit gefallen ist – und vielleicht auch ich als Pfarrer auch. Wer nach moderner Musik sucht, findet diese eher im Radio oder Internet. Wer nach Unterhaltung sucht, wird eher im TV oder Kino fündig. Wer etwas Gescheites essen gehen möchte, sollte dafür eher ein Restaurant aufsuchen, als sich mit Brot und Wein/Saft begnügen. Events oder Festivals werden auch woanders immer größer sein.
Und dennoch haben euch auch die Kirche und der Glaube etwas zu bieten. Die Welt wird euch nämlich immer nach eurer Leistung, eurem Aussehen, euren Erfolgen beurteilen. Gott aber sieht hinter all diese Oberflächlichkeit tief in euer Herz. Und ihr - wir alle - sind wertvolle Menschen, auch und gerade in unseren Misserfolgen, in unserem Scheitern, in unseren offenen und oftmals unbeantworteten Fragen. Gott schreibt uns nicht ab, nur weil wir in der Welt gescheitert sind,. sondern er will uns immer wieder auf die Füße stellen, damit wir weiter im Leben vorankommen.
Und für dieses Vorankommen, meine Lieben, habt ihr euch als Reiseproviant einen biblischen Vers ausgesucht, jeder und jede einen unterschiedlichen, die ich nun gerne kurz auslegen möchte.
Lieber Julian, du hast einen Vers aus dem ersten Buch der Bibel gewählt, dem Buch der Anfänge und Aufbrüche. „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir und will dich segnen“ (1. Mose 26, 24). Das wünsche ich dir, wie euch allen: dass ihr in euren Aufbrüchen keine Angst zu haben braucht, weil Gott mit euch ist. Manchmal werdet ihr ernüchternde Erfahrungen machen, wenn Freundschaften sich in Feindschaften verwandeln, es scheint, als habe sich die ganze Welt gegen euch gestellt: Gott bleibt auf eurer Seite und hält auch dann noch schützend die Hand über euch, wenn es aussieht, als wäret ihr schutzlos der Welt ausgeliefert.
Liebe Mia, du hast dir eine moderne Übersetzung für deinen Konfirmationsvers ausgesucht. Wir finden ihn im Johannesevangelium. Dort heißt es: „Niemand liebt mehr als einer, der sein Leben für seine Freunde und seine Familie einsetzt“ (Johannes 15,13). Familie und gute Freunde sind etwas ganz Wichtiges im Leben. Sie begleiten durchs Leben, stärken und stützen uns – zumindest wenn es gut läuft. Ich weiß, als „Pupertiere“ sind euch eure Eltern manchmal peinlich und nicht immer versteht ihr, was sie eigentlich von euch wollen. Aber mal ehrlich: umgekehrt ist es nicht viel anders in dieser spannenden Zeit des Lebens. Da wird aus dem süßen Mädchen auf einmal eine junge Frau, und aus dem zurückhaltenden Jungen ein diskussionsfreudiger junger Mann. Eben war noch alles so einfach, und auf einmal ist das Leben kompliziert und doof. Liebe ist da das Band, das verbindet und Streit schlichten kann.
Lieber Johann, dein Vers hat mich etwas überrascht. Die Jugend von heute, so sagt man ja vorschnell, ist mehr mit dem Handy als dem Leben verbunden. Dagegen setzt du aber einen Vers aus dem Ersten Brief des Petrus: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat“ (1. Petrus 4, 10). Der Vers sagt doch zweierlei. Zunächst einmal, dass jeder Mensch Gaben und Fähigkeiten hat, die ihn einmalig und wertvoll machen. Niemand gleicht dem anderen und viele Talente schlummern in euch, die noch entdeckt werden wollen. Vielleicht sogar das Talent, Pfarrer zu werden. Wer weiß, ob bereits heute der zukünftige Pfarrer unserer Kirche unter uns sitzt, ohne es zu ahnen? Oder ein Nobelpreisträger. Ich bin gespannt. Dabei wollen wir aber das Zweite nicht überlesen: Gaben sind nichts, was man für sich selbst behalten soll, sondern sie können der Allgemeinheit, der Gemeinde, der Gesellschaft einen wichtigen Dienst leisten. Bringt euch also ein, immer und überall dort, wo ihr gebraucht werdet.
Und dabei wird es nicht immer nach eurem Kopf gehen, manches sogar manchmal richtig gegen den Strich. Da ist Toleranz gefragt, so wie du, liebe Aurelia, es zuhause sicherlich auch erfährst. Oder vielleicht müsste ich eher deinen Vater fragen, als einziger Mann mit vier Frauen unter einem Dach. Im Römerbrief schreibt nämlich der Apostel Paulus: „Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat“ (Römer 15, 7). Die Familie als Keimzelle der Gesellschaft sollte uns fähig machen, tolerant und offen der Welt zu begegnen; Unterschiede auszuhalten und nebeneinander stehen zu lassen. Dem Gegenüber mit Respekt zu begegnen, auch wenn dieser nicht meiner Meinung ist. Das ist übrigens auch Kirche: eines Sinnes trotz Unterschieden zu sein. Vorgelebt hat uns dies Christus selbst, der sich mit Sündern, Verbrechern und Außenseitern, aber auch mit Bedürftigen, Gläubigen und Zweiflern an einen Tisch gesetzt hat. Genauso wie wir auch gleich das Heilige Abendmahl feiern werden: ganz gleich, wer du bist oder woher du kommst: hier in Gottes Haus an seinem Tisch bist du willkommen, weil Christus selbst jeden Einzelnen einlädt, der auf seinen Namen getauft ist.
Etwas überrascht hat mich auch dein Vers, liebe Annika. Du hast dir ein bekanntes Wort aus dem Ersten Brief des Johannes ausgesucht: „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“ (1. Johannes 4, 16). Es ist ja vielen von uns bekannt, dass du gesundheitlich in den letzten Jahren stark belastet gewesen bist. Ich hätte da eher ein Zweifeln an Gottes Liebe und Güte bei dir erwartet. Dein Lebensbeispiel beeindruckt mich: dass du eben nicht aufgibst, sondern kämpfst. Vielleicht spürst du, dass Gott dir Kraft für diesen Überlebenskampf schenkt, Menschen in Familie und Freundeskreis an die Seite gestellt hat, die dich darin unterstützen und dich nicht aufgeben. Bewahre dir diesen Glauben, auch wenn ich jeglichen Zweifel gut verstehen könnte. Und vor allem: fordere diese Liebe ein – wie auch immer sie dann aussehen mag -, wenn Du meinst, Gott könnte dich vergessen haben.
Heilige Gottes, das war es nun fast mit meiner Predigt. Und es ist gute Sitte, dass ich am Ende immer einmal kurz auf mein eigenes Leben eingehe. Ich wurde vor 4 Dekaden an Pfingsten geboren und vor 33 Jahren in einem unbedeutenden Dorf konfirmiert. Ich hatte einen Konfirmator, der wirklich langweilig predigte, aber statt einzuschlafen, haben wir manchen Blödsinn im Gottesdienst gemacht und da flog auch dann und wann einmal ein Gesangbuch quer durch die Kirche, um für Ruhe zu sorgen.
Erst Jahre später, nach einer durchaus abwechslungsreichen Glaubensreise, ging mir ein Licht auf, was er uns eigentlich sagen wollte: Glaubt an Gott und glaubt an Euch, dann wird vieles möglich sein. Und nein, liebe Ellen, dich habe ich nicht vergessen. Aber du hast dir einen meiner Lieblingsverse ausgesucht, und er passt zum Abschluss meiner Predigt, oder besser als Rahmen um alle eure Verse. Deinen Vers finden wir im Markusevangelium. Dort heißt es: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt“ (Markus 9,23). Glaube kann Berge versetzen. Wenn die Menschheit nicht den Glauben durch die Jahrtausende hindurch gehabt hätte, dass das Morgen besser als das Gestern werden würde, wir würden wohl immer noch in Höhlen hausen. Der Glaube ist die Kraft, die euch antreibt, aber auch zur Ruhe kommen lässt. Dieses „alles“ werdet ihr selbst entdecken müssen. Und oftmals werdet ihr dafür einen langen Atem und viel Geduld haben müssen. Im Rückblick aber werdet ihr hoffentlich überrascht sein, wozu ihr alle fähig seid. Glaubt also an diesen Gott der Möglichkeiten, der zu allererst an euch geglaubt hat.
Auch wenn ich den einen oder anderen Glaubenszweifel immer wieder habe, ich habe noch nicht viele Tag bereut, Gott die Treue gehalten zu haben. Und dabei habe ich gespürt und gesehen, dass Gott in meinem Leben wirkt – vielleicht nicht immer so, wie ich es wollte. Aber ich habe oftmals die Augen geöffnet bekommen und durfte sehen, dass manche meiner Träume Wirklichkeit wurden. Vielleicht habt Ihr manche gute Predigt verschlafen und manch guten Gedanken im Unterricht nicht mitbekommen – Schwamm drüber. Aber wir hoffen, dass wir Euch die wesentlichen Dinge eingepackt haben für eure Lebensreise. Erinnert euch immer wieder an euren Konfirmationsspruch, meiner gibt mir Halt und Ziel: „Weise mir, HERR, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte“ (Psalm 86, 11). Darauf vertraue ich, davon predige ich und bezeuge es im Namen Jesu Christi. AMEN
Pfarrer Torben W. Telder
- Es gilt das gesprochene Wort! -
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Predigttext: 2. Korinther 5, (17-18) 19-21
Liebe Gemeinde!
In welcher Zeit leben wir, in der wir heute das biblische Wort von der Versöhnung in Christus hören? Wir leben in einer Zeit des Krieges an den Rändern Europas, streng genommen müssen wir sogar sagen: mitten in Europa. Denn wir in Deutschland sind in diesen Krieg schon lange indirekt-direkt verstrickt.
Was wir uns vor dem 24. Februar 2022 einfach nicht vorstellen konnten oder wollten: Es ist ganz nahe bei uns Krieg, wieder ein Bruderkrieg. Damit meine ich ein Krieg zwischen Menschen und Völkern, die sich „christlich“ nennen. Ein Skandal, der sich nun in geschichtsvertrauter/bekannter Weise in Europa wiederholt und wiederholt, als ob wir aus den Schrecken und Katastrophen der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte nicht oder nichts gelernt hätten. Ich zähle die großen Kriege auf, die Millionen Tote und schreckliche Verwüstungen, äußere wie innere, gebracht haben: der Dreißigjährige Krieg (1618-1648), der Siebenjährige Krieg (1756-1763), der Deutsch-Französische Krieg (1870/71), der Erste Weltkrieg (1914-1918), der Zweite Weltkrieg (1939-1945). Und immer kämpften Christen, Mitglieder und Anhänger ihrer jeweiligen Kirchen, ob protestantisch, röm.-katholisch, anglikanisch oder orthodox, bis aufs Blut gegeneinander. Bei Lichte, ich meine im Lichte des Evangeliums betrachtet: ein unfassbarer Skandal! So auch jetzt wieder: Es kämpfen russisch-orthodoxe gegen ihre ukrainisch-orthodoxen Brüder und Schwestern.
Was ist nur los? Was ist – wörtlich gemeint – so ver-rückt? Was ist so teuflisch, dass Menschen, die an den gleichen Gott, den Vater Jesu Christi, glauben, die in ihren Gottesdiensten das gleiche Glaubensbekenntnis sprechen, ganz andere Werte, Werte von Sieg und Niederlage, von Töten und Rache-nehmen gelten lassen, als die urchristlichen, wie sie uns im Predigtwort im 2. Korintherbrief klar und unmissverständlich gesagt und als Christenmenschen anbefohlen wurden und werden. Was ist nur los, was ist so verrückt?
Liebe Gemeinde, ich will versuchen, eine einfache, aber gleichzeitig komplizierte und komplexe Antwort zu geben: Es ist jeweils das Überhandnehmen des >alten< Menschen, der grundsätzlich Gott und den Nächsten, dem Nächsten und Gott feind ist. Und da dürfen wir alle, welcher Konfession und welcher Religion auch immer wir angehören (oder auch keiner), uns angesprochen wissen - ich spreche jetzt aber nur uns Christen an: Auch in Menschen, die sich >christlich< nennen, die auf den Namen Jesus Christus getauft sind und sich vielleicht sogar persönlich >gläubig< nennen, auch in uns ringt das Alte, ich meine, ringt der >alte Adam< mit dem bekehrten Adam, der an Christus, den >neuen Adam< glaubt, sich IHM zugehörig weiß und bekennt. Es ringt in uns das gegen Gott und dem Nächsten Feindliche mit dem Friedlichen, das durch und in Christus in uns und unter uns seit so langer Zeit da ist. Und die ernüchternde Wahrheit und Wirklichkeit ist: Millionenfach siegt immer und immer wieder die feindliche Gesinnung.
Das >Alte<, das sind nicht nur einzelne Christenmenschen, die davon betroffen sind, nein, viel-mehr, das sind vor allem die Einzelnen in der Verquickung und Abhängigkeit von ihrer gesellschaftlich-nationalstaatlichen Zugehörigkeit. Da lautet es, scheinbar wie ein Automatismus: Zuerst das Volk, zuerst die Nation, dann die persönliche Glaubenseinstellung, dann der Gehorsam gegen Gottes Wort, dann die Zugehörigkeit zu Christus, zu dem Friedenbringer und Versöhner der Menschheit.
Das Teuflische dabei ist doch: Die Machthaber einer Nation, die Herrscher eines Staates nutzen die Adamsverhaftetheit, nutzen die natürlich-primär-familiär-nationale Zugehörigkeit schonungslos-grausam für ihre eigenen Interessen des Überlebens und ihrer Machtverstärkung, meist ihres Größenwahnsinns, von vorne bis hinten aus. Ein Wahnsinn!
Liebe Gemeinde, ich spreche hier von der Kanzel als Bote und Prediger des Evangeliums. Deshalb erlaube ich mir nicht nur, sondern bin verpflichtet uns zu fragen: Wem gehörst Du, wem gehöre ich, wem gehören wir als christliche Gemeinde letztlich und vorletztlich an? Wem gehorche ich mehr: Gott in Christus oder einer menschlich-staatlichen oder auch religiös-institutionellen Autorität? (Lies dazu: Apostelgeschichte 5,27-29.) Die ersten Märtyrer wie Stephanus, Jakobus, Petrus und Paulus, waren in diesem Ringen um Klarheit Zeugen Jesu Christi in ihrer Zeit. Und über die Jahrhunderte hat es viele solcher klaren Zeugen gegeben. (Im vergangenen Jahrhundert denke ich z. B. an Dietrich Bonhoeffer.) Sie haben für ihr Bekenntnis mit dem Leben bezahlt. Wir leben von ihrer Klarheit, ihrem Mut, ihrem Bekenntnis in Wort und Tat. Ich denke, das verpflichtet.
Christen und viele Menschen anderer Glaubensüberzeugungen haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg ökumenisch und als Staaten und Nationen weltweit in die Pflicht nehmen lassen, sich für Frieden, Versöhnung, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. So sind die Grundsätze, so ist die Charta der Vereinten Nationen (UNO) entstanden, so kam es zu den Schuldbekenntnissen der Kirchen wie dem Stuttgarter Schuldbekenntnis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Oktober 1945; so kam es auch zur letztlich in 1959 ausformulierten Versöhnungslitanei von Coventry und den europaweiten Nagelkreuzgemeinschaften, zu denen auch die Wallonisch-Niederländische Gemeinde gehört.
In der Bindung an Gottes Wort bekennen wir uns auch heute zu dem, was der Apostel Paulus geschrieben und bekannt hat: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Aber das alles ist von Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Christus und uns das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt“ (2. Kor. 5,17-18).
Liebe Gemeinde, das ist eine durch und durch intelligente, das meint einsichtige und durchsichtige Botschaft, auch in unseren kriegerischen Zeiten. Erkennen und durchschauen wir doch das Teuflische, also das Verdrehte in der Vermischung von Religion und Politik, von Politik und Religion! Nennen wir deutlich beim Namen, was an so vielen Orten, so auch jetzt wieder von russischer Seite behauptet wird: einen Krieg zu führen mit religiös-legitimierter Begründung. Und Kirchenführer lassen sich teuflisch missbrauchen! Ein Skandal! Deshalb plädiere ich an dieser Stelle für eine unbedingte Trennung von Staat und Kirche. Der politische Friede ist möglich und machbar aufgrund von vernünftigen und rechtkonformen Regelungen, wie sie die UNO aufgestellt hat und zu denen sich die Völkergemeinschaft klar mehrheitlich entschieden hat. Christen und Kirchen bringen sich hier ein, sind nicht besserwisserisch, unfehlbar und bevormundend. Sie bringen sich vornehmlich mit ihrem höchsten Gut, dem Evangelium und einem geschenkten versöhnlichen Gewissen ein. Und als solche üben sie auch politische Ämter in demokratischer Gesinnung aus, setzen sich im Kleinen wie im Großen für Frieden, Gerechtigkeit und für die Bewahrung der Schöpfung ein. Und dies konsequent, gewaltfrei, was aber nicht heißt: nicht abwehrfähig gegen das Böse und gegen Aggressoren.
Noch einmal: Wir Christen sind nicht die einzigen, die ein tieferes Wissen von Frieden und Versöhnung haben. Das haben andere auch. Deshalb: Lasst uns gemeinsam dafür beten und uns dafür einsetzen, hier in Hanau, der Stadt, die weiterhin unter dem schrecklichen Amoklauf vor drei Jahren leidet, und andernorts – in Deutschland, Europa und der Welt!
Und der FRIEDE GOTTES, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, der unser aller Friede ist. AMEN.
- Predigten
Text: Römer 8, 25-36
Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
es ist ein sperriger Text, der für diesen Jahresschlussgottesdienst als Predigtgrundlage dienen soll und uns die Perikopenordnung der Landeskirche vorschlägt. Es ist ein Text, der so voller Theologie steckt über Vorherbestimmung und Heil, dass wir vielleicht geneigt wären, uns zu wünschen, ob es nicht etwas Leichtes und Eingängiges geben könnte. Doch nicht zu schnell. Wenn man den Text vom Ende her versucht zu verstehen, dann verliert er seine Sperrigkeit in den ausgestreckten Armen Gottes.
„Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn“, schreibt der Apostel.
Paare vor dem Traualtar versprechen sich öffentlich, in Familien sollte es selbstverständlich sein und unter Freunden und Bekannten ist es ein Geschenk, wenn man einander verspricht oder zusichert: „Ich halte zu dir, was auch kommen mag.“ Als ich diese Predigt vorbereitet habe, erinnerte ich mich an das Fernsehinterview mit Boris Becker auf Sat1 nach seiner Haftentlassung. Vielleicht haben das manche von Ihnen auch gesehen. Als es darin um Freundschaft ging, erzählte er, dass er Mut und Kraft aus zahlreichen Briefen geschöpft habe, die ihm Fans und Bekannte schickten. Darunter seien auch Überraschungen gewesen: „Michael Stich hat mir einen dreiseitigen Brief geschrieben“, erzählte Becker über seinen Tennis-Kollegen. Das habe ihn sehr berührt.
Auch mit manchem Mitinsassen habe er Freundschaften schließen können. Noch einmal Becker sinngemäß: „Freunde halten zusammen, auch wenn einer sich nicht korrekt verhält, aber dafür ja eine Strafe bekommt. Freundschaft endet nicht an der Gefängnismauer und beschönigt nichts, sondern Freunde können ehrlich über Schuld und Sühne sprechen.“
Eine unendlich schöne Erfahrung, wenn dies gelingt: wenn Liebespaare, Familien und Freundeskreise trotz Fehler und vielleicht aneinander schuldig werden, dennoch sagen: „Ich halte zu dir, was auch kommen mag.“
Und so will uns auch das große Apostelwort aus dem Römerbrief heute Abend bereits hinüber tragen in das neue Jahr 2023. Und mir kommt es vor, als wolle uns Paulus im Namen Gottes mit aller Eindringlichkeit dies eine ausrichten: „Ich halte sowieso zu dir.“
Unter diesem Wort können wir das Alte ehrlich anschauen. Wir können staunen über das, was war, und danken. Wir können Missratenes eingestehen, Leichtsinniges und Verkehrtes zugeben. Wir können Verwirrendes offenlegen, Dinge, mit denen wir nicht klarkommen.
Geschwister im HERRN! Vielleicht gibt es auch welche unter uns, die zu klagen haben, die aufbegehren möchten, denen das zu Ende gehende Jahr 2022 schwer zu schaffen gemacht hat: Wenn du zu mir hältst, Gott, dann lass es mich bitte auch spüren! Ich hab‘ deinen Rückhalt nämlich verdammt nötig!
Und doch gilt: „Gott ist für uns.“ Vielleicht wird uns die Tragweite dessen noch bewusster, wenn wir uns für einen Augenblick vorstellen, es wäre anders. Gott wäre gegen uns.
Er würde zum Beispiel sagen: „Ich kenne dich; auch die Dinge, die du zu verbergen suchst. Ich weiß, was ich von dir zu halten habe. Sieh zu, wie du klarkommst. Ohne mich! Ich bin gegen dich.“
Unter solchen Sätzen zieht sich doch das Herz zusammen. Wir verschließen uns. Nein. Gott ist für uns. „Ich halte zu dir.“ Das gilt. Wer so spricht, heißt zwar nicht alles gut, was wir tun, reden und denken. Aber er will, dass es uns gutgeht. Und er tut das Seine dafür. Gott setzt mit Jesus Christus auf die Liebe als Kraft, unter der das Gute aufblüht und die das Böse aushält, begrenzt und überwindet.
Aus dem „Ich halte zu dir“ wird zu Zeiten ein tröstliches „Ich halte trotzdem zu dir“. Mit den Worten des Apostels: „Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferstanden ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt“, (V 33f) schreibt der Apostel.
Die Tage zwischen den Jahren. Die Stunden an der Schwelle zum Neuen Jahr. Was wird es bringen und schenken? Was wird es nehmen und fordern? Haben Sie Angst oder sind Sie gespannt? Ich mag zum Jahreswechsel die bekannte biblische Geschichte vom Fischen, die wir als Evangelium eben gehört haben.
Eines Nachmittags sprach Jesus am Ufer des Sees Genezareth und eine Menschenmenge drängte sich um ihn. Da sah er Petrus und einen anderen Fischer, die in der Nähe ihre Netze wuschen. Jesus stieg in ein leeres Boot und bat Petrus, auf den See zu fahren, damit er vom Wasser aus zur Menge reden konnte. Petrus war einverstanden. Dann, als er seine Predigt beendet hatte, sagte Jesus zu Petrus: „Jetzt fahre noch weiter hinaus, wo das Wasser tiefer ist, und fange Fische.“
„Aber Jesus“, meinte Petrus, „ich habe mich schon die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen.“ Seine Anstrengungen waren ohne Ergebnis geblieben. Aber als er die Aufforderung Jesu hörte, da tat Petrus, was von ihm verlangt wurde. Und plötzlich spürte er nicht mehr nur das Gewicht des Netzes in seiner Hand, sondern es wurde schwerer und schwerer: Das Gewicht eines großen Fanges.
Alles, was Jesus ihm eigentlich gesagt hatte, war: Fange noch einmal von vorne an. Hier liegt die Chance auch für das neue Jahr. Was sagt Jesus zu uns, wenn das alte Jahr 2022 nicht gerade toll gewesen ist? Er sieht uns an und sagt nicht: Schade. Nein, er sagt: Fang von vorne an! Ich halte zu Dir, ergänzt der Apostel.
Immer wieder, wenn Sie denken, Sie sollten aufgeben und – im Bild der biblischen Geschichte – es gibt keine Fische mehr, die Saison ist gelaufen, werden Sie von Jesus hören: Fang nochmal von vorne an. Ja, es ist wahr, dass wir manchmal dazu neigen, enttäuscht zu sein und zu glauben, dass es keine Fische mehr zu fangen gibt. Und wir fangen auch nichts. Und schließlich erwarten wir auch nichts mehr. Aber vielleicht können wir uns alle für 2023 vornehmen, (wieder) mehr mit Gott zu rechnen, der auf unserer Seite steht.
Begrenzen Sie nicht die Größe Gottes, die Macht Gottes. Beschränken Sie nicht die Größe von Gottes Traum und Vorsehung für Ihr Leben. Vielleicht klingelt im kommenden Jahr an einem bestimmten Tag das Telefon oder ein Brief, eine Mail kommt - wonach Sie sich schon lange gesehnt haben. Oder Ihnen kommt eine unglaubliche Idee in den Sinn, was Sie schon immer einmal machen oder erleben wollten.
Das alles sind Momente, in denen Gott zu Ihnen kommt. Und mehr noch: Begrenzen Sie nicht das Leben Ihres Traums. Wenn Sie meinen, Ihre Träume wären tot oder würden gerade sterben und es wird nichts daraus, denken Sie daran, Gottes Träume haben kein Verfallsdatum. Und vielleicht werden in 2023 gerade diese Träume wahr!
Vielleicht halten Sie, meine Lieben, mich nun für einen Träumer. Aber ich fühle mich dabei in guter Gesellschaft. Der Reformator Johannes Calvin zum Beispiel, dessen Bild nun auch im Klarenthaler Amtszimmer hängt, schreibt nämlich: „Unter Gottes Vorherbestimmung verstehen wir Gottes ewige Anordnung, durch die er selbst beschlossen, was nach seinem Willen aus jedem einzelnen Menschen werden sollte.“ Unser Leben ist keine Kette von Zufällen, sondern ein unsichtbarer Faden zieht sich von einem Jahr ins nächste.
„Ich bin gewiss“, sagt Paulus. Und es klingt, als würde seine Gewissheit auch für uns mit reichen. Für den Fall, dass es uns an solcher Gewissheit fehlen sollte. „Ich bin gewiss“, bekennt er in der Hoffnung, dass seine Gewissheit auf alle überfließt, die dieses Wort hören. „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn“ (V 38f).
So vieles wird geschieden und getrennt unter uns. Aber diese Liebe bleibt. Sie bleibt, weil sie allein in Gottes Leidenschaft für uns gründet. In nichts sonst. Nicht in unserer Schönheit; nicht in unserer Gesundheit; nicht in unserem Können; nicht in unserem Wohlverhalten. Das alles ist brüchig. Allein in Gottes Leidenschaft hat diese Liebe ihren Grund.
Darum ist sie verlässlich. Darum kann uns nichts von ihr scheiden. Wäre Gottes Liebe in irgendetwas anderem begründet - und sei es in unserem Glauben -, dann wäre sie nicht verlässlich. Denn wer kann denn für seinen oder ihren Glauben garantieren? Wenn wir nur halb so ehrlich sind wie Paulus, ahnen wir, wie sehr die Dinge, die er hier aufzählt, unserem Glauben zusetzen können: Trübsal, Angst, Verfolgung, Hunger, Gewalt.
Wir dürfen übertragen und die Liste weiterschreiben: Krankheit; Betrug, Sucht; dass Menschen miteinander nicht mehr zurechtkommen; die ständige Überforderung bei der Arbeit; dass Gott mir das Liebste genommen hat, etc. … Wenn Gottes Liebe von uns abhinge, und sei es von unserem Glauben, dann könnten wir einpacken.
Dann könnte uns in der Tat viel von ihr trennen. Aber nein, beharrt Paulus, weder Tod noch Leben kann uns scheiden von der Liebe Gottes.
Auch wir selbst können uns nicht trennen von Gottes unbegreiflicher Liebe! Wir können Gott vergessen im Glück, verraten im Unglück, ihn verlieren in der Anfechtung, ihn verleugnen unter Druck, ihn verdrängen, um besser durchzukommen. Aber von seiner Liebe können wir uns nicht trennen. Niemals werden wir ihn dazu bringen, uns nicht mehr zu lieben. Er hat sich festgelegt in Christus. Gott setzt auf die Liebe. Er weiß, dass wir sie brauchen.
Durch sie will er uns und diese Welt zurechtbringen, erfrischen und erneuern. Sie soll uns einhüllen, wenn wir zurückblicken. Sie soll uns den Blick färben, wenn wir vorausblicken, was wohl kommen mag im vor uns liegenden Jahr. Und wenn wir üben, uns zu ändern oder etwas zu verändern, dann leite sie uns. Es bleibt dabei: „Ich halte sowieso zu dir.“
So scheint in dieser Stunde im Sinne des Predigttextes die Jahreslosung für 2022 noch einmal hell auf: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“ (Johannes 6,37). Aber auch die Losung für 2023 wirft ihre Schatten voraus: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ 1. Mose 16 ,13
2022 geht zu Ende – das dritte Jahr in der Pandemie, deren Ende in Sicht; das Jahr mit dem Ukraine-Krieg, dessen Ende nicht greifbar ist. Ein Jahr großer und kleiner Freuden, aber auch großer und kleiner Katastrophen – in der Welt, wie auch im persönlichen Leben.
Ganz gleich wie es war oder werden wird: Was auch kommen mag, es gilt: „Ich halte zu Dir!“ Und wenn es nötig ist: „Fang noch einmal von vorne an.“ Gott segne unser Kommen und Gehen, Hoffen und Bangen. Dies wünsche ich uns und bezeuge es im Namen Jesu Christi. AMEN!
gehalten von Pfr. Torben W. Telder
Ev. Kirche Gersweiler