wng-1302-01

Seit Juni 2010 besitzt die Gemeinde ein wertvolles Geschenk der „Commission pour les affaires des Eglises Wallonnes“ [Kommission für die Angelegenheiten der Wallonischen Kirchen], Utrecht. Pastor Michel Badry, Delft, übersandte Pfarrer Telder eine französisch-reformierte Bibelausgabe des Jahres 1727, wie sie vielleicht [damals] von den Wallonen zu Hanau gelesen wurde.

Nach dem abgebildeten Titelblatt handelt es sich um die Heilige Bibel, die das Alte und Neue Testament enthält, überprüft an den hebräischen und griechischen [Ur-]Texten. Im Vorspann werden die kanonischen Bücher beider Testamente namentlich und einschließlich ihrer Kapitel genannt. Nach reformierter Tradition bei Gesamtbibeln folgen die Apokryphen – allerdings ohne eigenes Titelblatt, das dem Neuen Testament vorbehalten bleibt. 

Der Gesamtumfang dieser Quartbibel (24,5 x 23 x 8 cm) von 1520 Seiten resultiert aus einem weiteren Hauptteil mit separatem Titelblatt, das zwei wichtige Hinweise enthält. Die Textfassung wurde gebilligt von der Wallonischen Synode der Vereinigten Provinzen [der Niederlande] und der Druck erschien in neuer Auflage. Die 152 Kirchenlieder beginnen mit dem hugenottischen Gesangbuch, den bereimten und mit Noten versehenen 150 Psalmen des Alten Testaments. Der hartnäckige Widerstand hugenottischer Theologen gegenüber dem neuen geistlichen Liedgut, wie es die lutherische „Konkurrenz“ so verführerisch besaß, zeigt sich in nur zwei, obendrein textgebundenen Ergänzungen: den Zehn Geboten und dem Lobgesang des Simeon. 

Der Anhang beginnt mit einem Katechismus in Dialogform zwischen dem fragenden Pfarrer und dem antwortenden Kind.

Die zwei Glaubensbekenntnisse berücksichtigen die kirchenrechtliche Lage im Refuge: dasjenige der reformierten Kirchen in den Niederlanden von 1566, bestätigt durch die Nationalsynode von Dordrecht 1619 und das jener Franzosen [von 1555], die wünschten, entsprechend der Reinheit des Evangeliums unseres Herrn Jesus Christus zu leben“. Diese „Confessions“ werden ergänzt durch einen Spezialartikel der französischen Nationalsynode zu Vitré von 1583: Das wurde die dogmatische Einheit („Union doctrine“) beider Bekennt-nisse in letzter Instanz und dadurch verbindlich anerkannt. Überraschend steht am Schluss des stattlichen Bandes ein Dankgebet nach dem Herrenmahl („communion“). Nicht zuletzt die Anordnung der verschiedenen Gruppen weist auf die eigentliche Verwendung des dritten Hauptteiles hin.

Er ist nicht nur in Amsterdam bei einem anderen Buchdrucker und Verleger, sondern erst 1729 erschienen. Wie in zahlreichen Fällen, wurde auch diese Gesamtbibel (samt Apokryphen) mit einem zuerst separat erschienenen Gesangbuch (samt Kirchengebeten, Katechismus und Glaubensbekenntnissen) später zusammengebunden. Die Ganzlederbibel liegt uns nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt vor. Einige ausgebesserte, z. T. ergänzte Seiten weisen auf die Neubindung hin – vermutlich im 19. Jahrhundert.

Heute ziert diese wertvolle historische Ausgabe den Abendmahlstisch der Kirche. Wegen ihrer nur mittleren Größe und wegen zahlreicher Benutzungshinweise für Laien dürfte es sich bei den Amsterdamer Drucken von 1727 und 1729 ursprünglich um eine Familien-Bibel gehandelt haben.

Walter Mogk