Pfarrer Torben W. Telder (Ordinator)
Predigttext: Lukas 1,76-79

 

Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
liebe Gäste im Tempel unseres Glaubens,
werte Geschwister im geistlichen Amt,
werte Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche,

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es ist kein Zufall, dass wir heute mit Ihnen, liebe Schwester Berezynski, Ihre Ordination feiern. Schon lange bevor wir unsere Einladungen versendet haben, schon lange bevor Sie wussten, dass Sie in unserer Wallonisch-Niederländischen Kirche den Tag Ihrer Ordination feiern würden, da wusste Gott von ferne bereits, dass dieser Tag kommen würde. Ja, die Providentia Dei, also die Vorhersehung Gottes ist schon etwas schwer zu Glaubendes, auch wenn wir als reformierte Kirche in unserem Bekenntnisstand, auf den Sie, liebe Schwester Berezynski, heute ordiniert werden, diesen Glaubenssatz als wahr anerkennen. 

Johannes Calvin schreibt nämlich in seiner Institutio (III,21,5): „Wenn wir Gott das Vorherwissen zuschreiben, so meinen wir damit: Alles ist stets vor seinen Augen gewesen und wird es auch allezeit bleiben. Für seine Erkenntnis gibt es also nichts Zukünftiges oder Vergangenes, sondern es ist alles gegenwärtig. … Unter Gottes Vorherbestimmung verstehen wir Gottes ewige Anordnung, durch die er selbst beschlossen hat, was nach seinem Willen aus jedem einzelnen Menschen werden sollte.“ 

Also wusste Gott es bereits damals, als in Ihnen während Ihrer Konfirmandenzeit der Wunsch auf das Pfarramt wuchs, dass dieser Tag heute kommen würde. Aber leider schien dies zunächst in eine andere Richtung zu laufen. Sie haben Theologie studiert in Hamburg, Göttingen und wie ich selbst im westfälischen Münster. Sie haben Ihr Vikariat bei Celle erfolgreich abgeschlossen. 

Doch dann der Schock: Ihre Landeskirche hat Ihnen mitgeteilt, dass man Sie nicht brauchen würde. Und dann standen Sie da, mit einem Studium und Abschluss, aber vielmehr auch mit einem Berufswunsch, einer Berufung, die an der Entscheidung einer sehr irdischen Kirche zu scheitern drohte. 

Liebe Schwester Berezynski, ich verrate kein Geheimnis, wenn sich fast 20 Jahre später Gleiches wiederholte und auch ich keine Stelle in der Landeskirche bekam. Wir sind Schicksalsgefährten, wie so viele unserer Kommilitonen der damaligen Zeit. Das ist schwer anzunehmen und Wunden bleiben. Aber Gott wäre nicht Gott, wenn er aus unserem vermeintlichen Scheitern nicht doch etwas Fantastisches bereiten könnte – seine Providentia über uns Menschen!

Sie haben dann nach einer Ausbildung die Entscheidung getroffen, in den Schuldienst zu gehen. Dafür haben Sie noch zusätzlich Englisch studiert und auch über 10 Jahre im Bildungssektor gearbeitet. Aber Gott hat Sie nicht in Ruhe gelassen. Er hat Ihnen eine innere Unruhe belassen, die Sie offen bleiben ließ für die Möglichkeit einer Pfarrstelle. 

Und so geschah es, dass Ihr Blick im Internet auf eine Stellenausschreibung gelenkt wurde, die diesen Wunsch noch wahr werden lassen konnte. Vergangenes Jahr haben Sie sich bei der Kathinka-Platzhoff-Stiftung beworben, Sie haben sich dem Vorstand und dem Moderamen vorgestellt und wurden auf die Stiftungspfarrstelle berufen. 

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Einmal mehr erweist sich der Straßenname der ersten befestigten Neustädter Straße zur unserer Kirche hin als eine Verheißung: Paradiesgasse. Wenn auch spät, aber nicht zu spät, haben auch Sie Ihr Ziel des Pfarrdienstes erreicht und vielleicht gerade weil wir als Wallonisch-Niederländische Kirche, ein auch teilweise umstrittener Exot in der kirchlichen Landschaft, den Menschen eine Heimat nach mancher Odyssee des Lebens bieten können. 

Geschwister im HERRN. An einem Tag wie diesem, wo die Kirche den Hirtendienst besonders feiert und eine Person in den Pfarrdienst beruft, liegt die Frage doch nahe: Was ist eigentlich die Aufgabe der Pastores, worum sollten sie sich kümmern? […]

„Du wirst vor dem Herrn hergehen, seine Wege zu bereiten“, heißt es im Predigttext. Meine Lieben, ich möchte einmal ein Bild des Bauens nehmen – liegt ja auch nahe, da unweit von hier das neue Gemeindezentrum entsteht. Man sagt ja, dass Hilfsarbeiter ganz unten in der Rangordnung auf der Baustelle stehen. Wenn das stimmt, dann stehen die Pfarrer auch ganz unten, denn die Pfarrer sind — auch wenn man ihnen das nicht ansieht — Hilfsarbeiter. 

Zwar bekommen sie meist erheblich mehr Geld und sie sind länger ausgebildet, doch sie sind und bleiben Hilfsarbeiter, denn sie haben nie ausgelernt, sie arbeiten nicht in die eigene Tasche, sondern auf fremde Rechnung, und sie üben eine ganz untergeordnete, abhängige Tätigkeit aus. Alles, was sie tun und lassen, gilt nur dem einen Ziel: den Weg des Herrn zu bereiten.

Vielleicht sollten wir uns alle angewöhnen, die Geistlichen als das anzusehen, was sie sind: Hilfsarbeiter. Man würde sie schon zu wichtig nehmen, wenn man sich immer wieder über sie ärgert. Sie sind Vorläufer des Herrn, deshalb ist alles, was sie tun, auch nur vorläufig. All ihre Arbeit, all ihr Einsatz, all ihre Ideen, all ihre Erfolge, aber auch all ihr Versagen und all ihre Misserfolge sind nur vorläufig. 

Wir haben es als Pfarrpersonen nicht in der Hand, ob junge Menschen einen Zugang zu Gott finden. Wir haben es als Pfarrpersonen nicht in der Hand, ob trauernde Menschen sich getröstet fühlen. Wir haben es als Pfarrpersonen nicht in der Hand, wenn gesegnete Ehepaare sich wieder scheiden lassen. Wir würden vielleicht gerne mehr tun können, aber wir können es nicht. Wir können helfen, an den Schnitt- und Knackstellen des Lebens Brücken zu bauen, mehr aber auch nicht. 

Liebe Schwester Berezynski, gerne wäre heute die erste Frau im Pfarramt unserer Kirche bei uns. Leider ist es Pfarrerin (emer.) Ute Vanassa aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, sie lässt uns jedoch alle herzlich grüßen. Sie war 1976 die erste Frau in der langen Reihe der männlichen series pastorum, die am 3. März ordiniert wurde, als 66. Pfarrerin seit Gründung.

Zu meiner Ordination hat mir Pfarrer Brölsch – seligen Angedenkens – als 63. Pfarrer dieser Kirche folgenden Gedanken mit auf dem Weg gegeben: „Wir sind in ein kirchliches Amt unter Handauflegung eingewiesen, damit Menschen durch den Heiligen Geist zum Glauben gelangen. Wir Ordinierte sind nicht gefeit gegen Nervosität, Ungeduld, Empfindlichkeit, Depression, Verlangen nach Anerkennung und das ganze übrige Sündenheer. Wir sind Angeschlagene Gottes und humpeln mit unserer Jakobshüfte durch unsere Gemeinde, aber wir sind doch die Wunschkinder Gottes, die er dringend braucht, denn noch immer kommt der Glaube aus der Verkündigung.“

Gemeinde Gottes, liebe Schwester Berezynski, es ist mir eine Ehre, Sie heute gemeinsam mit dem Kollegium zu ordinieren und Ihnen Mut zu machen für den Weg, der vor Ihnen liegt. Wenn wir es gemeinsam glauben, dann ist dieser Tag genauso, wie es die Providentia Dei vorhergesehen hat. 

Bewahren Sie sich Ihren Glauben, von dem Ihr Ordinationsvers zeugt und den Sie uns nach Ihrer Ordination auslegen werden: „Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.“ (Ps 36,6)

Darauf vertraue auch ich und bezeuge es im Namen Jesu Christi. AMEN.

Pfarrer Torben W. Telder, vdm
- Es gilt das gesprochene Wort -