Predigttext: Johannes 6, 60-69
Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
liebe Gäste im Tempel unseres Glaubens,
werte Konsistoriale und natürlich Ihr, liebe Konfirmanden!
Heute ist es also soweit: Fast 2 Jahre Unterricht liegen hinter uns, eine Menge an Wissen und Erlebtem, eine andere Gemeinschaft als in der Schule und ebenso andere Themen: über Gott, unseren Glauben und unsere Kirche.
Und jetzt sitzt ihr hier geschniegelt und gebügelt und wartet, was auf Euch zukommt. Die Konfirmation heute soll Euren Glauben festigen. Natürlich kann das nicht nur an einem Tag geschehen. Denn Festigung im Glauben, die hat sicherlich schon vor dem Konfirmandenunterricht begonnen und wird auch nach der Konfirmation noch weitergehen müssen. Es gibt auch noch eine Menge im Leben zu lernen.
Doch etwas solltet ihr schon in den knapp zwei Jahren Unterricht mitbekommen haben, zumindest würde ich es mir wünschen: nämlich die Fähigkeit zu erkennen, dass es nicht nur um Äußerlichkeiten im Leben geht. Ihr habt erkannt, dass es eine andere Wirklichkeit gibt, als das, was wir mit unseren Augen sehen.
Damals zurzeit Jesu waren es zwölf. Jünger wurden sie genannt. Trugen Namen wie Petrus und Jakobus, Bartholomäus und Judas, Johannes oder Thomas.
Ihr wart nur fünf, ein kleiner Jahrgang. Jünger wurdet ihr nicht genannt, solltet aber, laut Taufbefehl, zu solchen gemacht werden. Konfirmanden nannte man euch stattdessen, die es nach des Wortes Bedeutung zu festigen, zu ermutigen und zu bestärken galt. Ihr habt Namen wie Jonathan, Marleen, Louis und zweimal Svenja.
Alles stehen und liegen lassen wie die Jünger von damals habt ihr nicht, um immer ganz dicht dranzubleiben an dem Mann Jesus aus Nazareth, aber treu habt ihr euch jeden Dienstagnachmittag zum Konfi-Unterricht auf den Weg gemacht. Leider nicht immer alle fünf. Was wir dann gemacht haben, das unterschied sich gar nicht so sehr von dem, womit die Zwölf damals ihre Tage zubrachten.
Ihr habt Fragen gestellt wie die beiden Brüder Zebedäus, ihr habt Wissen aufgesagt wie Petrus und Zweifel geäußert wie Thomas. Ihr habt geredet, gestritten und geblödelt. Ihr habt gelernt und geleugnet und manchmal habt ihr auch den Aufstand geprobt wie Judas. Manchmal war es ziemlich laut, obwohl ihr nur fünf und nicht zwölf gewesen seid.
Jesus sagt ja: „Wo zwei oder drei“, erst recht wo fünf und zusätzlich ein Pfarrer „in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Seine Gegenwart haben wir versucht zu erfahren und zu erproben. Diesem Versprechen wollten wir auf die Schliche kommen.
Wir hatten es schwerer als die Jünger von damals, die Jesus leibhaftig um sich hatten, die mit eigenen Augen sehen konnten, wie er Kranke geheilt hat, die mit eigenen Ohren seine großartigen Predigten hören konnten, die so fesselnd gewesen sind, dass die Menschen ihm von überallher nachliefen und nicht nur Kirchen, sondern ganze Ufer und Berge füllten.
Meine Lieben! Überzeugt hat das damals aber dennoch nicht alle. Und immer, wenn wir uns danach sehnen, doch damals dabei gewesen zu sein und Jesus aus der Nähe erlebt zu haben, müssen wir uns das vor Augen führen: Eine Garantie für felsenfesten, für unerschütterlichen Glauben war das nicht, als Augenzeuge und mit Jesus per Du mit von der Partie gewesen zu sein. Denn, so lesen wir ja auch in unserem heutigen Predigttext: „Von da an wandten sich viele seiner Jünger ab und gingen hinfort nicht mehr mit ihm.“
„Von da an“ – was ist das für ein Zeitpunkt, Geschwister im HERRN? Was mag da vorgefallen sein? Was ist da passiert, dass einige sich abwandten und nicht mitgingen? Hatte es Streit gegeben, unfreundliche Worte, Enttäuschungen oder Verletzungen?
Wir wissen es nicht, können es auch nicht mehr rekonstruieren. Ich weiß nur, dass einige heute geneigt sind, den Zeitpunkt, der da im biblischen Text genannt wird, mit der Konfirmation gleichzusetzen: Von da an wandten sich viele seiner frisch konfirmierten Jünger von ihm ab und gingen hinfort nicht mehr mit ihm. Nicht mehr zum Gottesdienst und nirgends mehr hin, was mit dem Wort „Kirche“ anfängt. Und tschüss!
Sicher, das hat es alles schon gegeben, damals wie heute. Aber unser Predigttext ist ja noch nicht zu Ende. Und Euer Lebensweg übrigens auch nicht. Da kann sich noch vieles tun. Das Erste, was sich tut in unserem Text, ist, dass Jesus nun selbst das Wort ergreift.
Da fragte Jesus die Zwölf: „Wollt Ihr auch weggehen?“ Und heute fragt Jesus Euch fünf hier vorne: „Wollt Ihr auch weggehen? Ihr, also Jonathan, Marleen, Louis und zweimal Svenja? Wollt Ihr auch weggehen oder wollt Ihr nicht lieber bleiben?
Wollt Ihr Euch weiter einlassen auf die Geschichten, die in der Bibel stehen, aber in Eurem Leben fortgeschrieben werden sollen? Wollt Ihr weiter nach Spuren suchen, nach den Spuren Gottes auf Euren Lebenswegen? Wollt Ihr weiterhin wachsen und Euch herausfordern lassen oder glaubt Ihr, dass Ihr mit dem heutigen Tag fertige Christenmenschen seid? Wollt Ihr auch weggehen oder wollt Ihr weitergehen?“
Diese Frage wird Euch heute in diesem Gottesdienst gestellt, nachher bei der Konfirmation. Und unser Predigttext schlägt auch eine Antwort vor. Da antwortete ihm Simon Petrus: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes!“
An dieser Stelle fällt es mir gar nicht so leicht, den Namen des Simon Petrus auszutauschen, wie ich es bisher immer getan habe, und ihn durch einen von Euren Namen zu ersetzen. Wer von Euch traut sich eine solche Antwort zu? Wer von Euch kann dem Petrus zustimmen?
Hier kann nur jede und jeder für sich selber sprechen und sagen, wie es ihm oder ihr zu Mute ist. Aber nahelegen, schmackhaft machen will ich sie Euch doch, die beispielhafte Antwort des Jüngers Simon Petrus. Sie beginnt, recht raffiniert, erst einmal mit einer Gegenfrage: „Wohin sollen wir gehen?“
Diese Frage werdet Ihr Euch noch oft stellen: „Wohin sollen wir gehen? Ins Kino oder in die Disko? Zu dir oder zu mir? In die Kirche oder ins ‘Café del Sol‘ zum Brunch am Sonntagmorgen? Wohin sollen wir gehen?“
Das ist aber nicht nur die Frage für langweilige Wochenenden, meine Lieben, sondern auch eine, die sich vor spannenden und spannungsreichen Entscheidungen immer wieder stellen wird: „Welchen Beruf soll ich erlernen, mit welchen Menschen mich einlassen, wonach mich richten, an was orientieren? Was macht Sinn und was ist bloß lästig und unnütz?“ Mal laut, mal leise, mal dringender, mal hintergründiger wird Euch diese Petrus-Frage Euer ganzes Leben lang begleiten: Wohin sollen wir gehen?
Petrus – das beweist die Fortsetzung seiner Antwort – meint diese Frage aber auch ein bisschen so: „Wohin sollen wir schon gehen? Du, Jesus, hast schließlich Worte des ewigen Lebens. Und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“
„Du hast Worte“ – ist das für Euch, für uns alle, eine befriedigende Antwort auf die Lebensfrage, dass da einer Worte anzubieten hat? In der Tat sind Euch ja im Konfirmandenunterricht in erster Linie Worte begegnet – die reformierte Tradition ist eine der wortreichsten Konfessionen. Biblische Worte und Texte, Gebete, nicht enden wollende Predigten, altmodische Lieder, alles Worte.
Ist das genug? Waren es nicht zu viele Worte, nur Worte und zu wenig „action“? Zu wenig Freizeit, zu wenig Filme, zu wenig Spiele? Stattdessen immer wieder nur Worte, auch heute im Gottesdienst: viele Worte.
Petrus aber, der Sprecher der Jünger, traut diesen Worten eine ganz bestimmte Qualität zu. „Worte des ewigen Lebens“ nennt er sie. Sie besitzen Gültigkeit. Sie lügen nicht. Sie halten, was sie versprechen. Sie stimmen. Sie bringen in Bewegung. Sie tun, was sie sagen. Deshalb glaubt er ihnen. Ihnen und dem, der sie gesagt hat. Diese Worte sind es auch allein, die bewirken können, dass Ihr, die Ihr heute konfirmiert werdet, nicht weggeht, sondern bleibt.
Nicht unsere guten Wünsche oder Ratschläge, nicht unsere tollen Angebote, nicht unser Jammern kann Euch dazu bewegen, an dem bekannten Glauben festzuhalten, sondern nur die Worte, die Jesus allein anzubieten hat – und natürlich auch die Geschichte unserer Wallonisch-Niederländischen Kirche als einer Flüchtlingsgemeinde um des Glaubens willen. Unsere Vorfahren, die aus der Bibel die Kraft für den nächsten Schritt im Leben geschöpft haben.
Jedem und jeder von Euch wird deshalb nachher bei der Einsegnung ein solches biblisches Wort der Kraft mit auf den Weg gegeben. Dieses Wort soll Euch Halt geben nicht nur heute, sondern an jedem Tag. Dieses eine Wort nur für Euch ist so ein Wort ewigen Lebens, von dem Petrus spricht, zu dem man immer fliehen, an das man sich immer halten kann. Und deshalb bin ich auch guter Dinge, dass Eure Lebenswege Euch vielleicht dann und wann von hier wegführen, aber eben auch wieder zurückbringen an das geistliche Zentrum unserer Kirche, wo wir Gott selbst begegnen können.
Und so hören wir diese Eure fünf Verse als ein gutes Wort, welches Euch heute mit auf den Weg gegeben wird:
„Danket dem HERRN; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich“ (Svenja-Christin). „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (Louis). „Der HERR ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist meines Lebens Zuflucht, vor wem sollte ich erschrecken?“ (Marleen). „Gott stärkt mich mit Kraft und weist mir den rechten Weg“ (Svenja). „Denn die Weisheit wird in dein Herz einziehen, und das Wissen wird deiner Seele wohltun. Die Umsicht wird über dir wachen, die Einsicht wird dich beschützen“ (Jonathan).
Meine lieben Konfirmanden! Wohin sollt Ihr also gehen, um es mit Petrus‘ Worten zu fragen? Ihr sollt hinaus gehen und Euer Leben entdecken. Denn das Wunder des Lebens ist nicht das, was man nicht hat, sondern dass Ihr so seid, wie Ihr eben seid. Aus Liebe seid Ihr alle vor Jahren entstanden und diese Liebe zum Leben macht Euch fähig, auch Entscheidungen zu treffen, wie Euer Leben aussehen soll. Wer, wenn nicht Ihr könnt wissen, was Euch gefällt: in Eurem Leben, in Eurer Zukunft und natürlich auch in Eurer Kirche, als deren mündige Glieder wir Euch heute bestätigen.
So, Carissimi, das war es jetzt mit der Predigt. Ich hoffe, für jeden von Euch hier vorne, aber auch für uns alle war ein gutes Wort ewiger Gültigkeit dabei. Ich wurde vor über 3 Dekaden an Pfingsten geboren und vor über 20 Jahren in einem unbedeutenden hessischen Dorf konfirmiert.
Und auch wenn ich den einen oder anderen Glaubenszweifel immer wieder habe, zeigt mir mein Leben bisher: Jeder kann überall hinkommen, wenn er nur will – ungeachtet seiner Herkunft und seines Namens. Das mag an den Talenten in mir liegen, aber wahrscheinlich auch an Gott, dem ich sie zu verdanken habe und der auch viele Talente in Euch fünf gelegt hat.
Und dieser Gott sagt Euch heute: „Und siehe, ich bin bei Euch alle Tage, bis zum Ende der Welt!“
Darauf vertraue ich, davon predige ich und dies bezeuge ich im Namen Jesu Christi.
Pfarrer Torben W. Telder, vdm
– Es gilt das gesprochene Wort –