Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
liebe Gäste im Tempel unseres Glaubens,
werte Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche,
und vor allem Ihr: liebe Alicia, Nele, Emma und Marlon,

nun habt Ihr es also geschafft. Der Konfirmandenunterricht ist vorbei. Zwar wart Ihr am vergangenen Dienstag doch auch etwas traurig, nun nicht mehr zu kommen, aber mal schauen, wie lange diese Traurigkeit anhält. Zusammen mit Eurer Konfirmation feiern wir Pfingsten, den Geburtstag der Kirche: Spüren wir, spürt Ihr die Begeisterung der ersten Christen? Und dann erinnern wir uns heute auch noch an unsere Gemeindegründung vor über 400 Jahren: haben auch wir eine solche Glaubensüberzeugtheit, dass wir dafür fliehen und woanders neu anfangen würden? 

Ihr wart eine relativ kleine Gruppe, was Ihr aber mit Eurer Redefreude ausgeglichen habt. Ihr wart neugierig, vieles wusstet Ihr schon und mit einigem konnte man Euch sogar begeistern. Wenn, ja wenn da nicht immer diese Gottesdienste gewesen wären. Diese Gottesdienste mit diesen nicht enden wollenden Predigten, die vielleicht unterhaltsamer als anderswo sind, aber dann doch viel zu lang. Wobei ich ja finde, dass eine gute Predigt nie lang genug sein kann! 

Mit dem Predigen ist es ja ohnehin so eine Sache. Hören wir deshalb den Predigttext für den heutigen Konfirmationstag aus der Apostelgeschichte: 

7 Am ersten Tag der Woche, als wir uns versammelt hatten, um das Brot zu brechen, sprach Paulus zu ihnen, und da er am nächsten Tag aufbrechen wollte, zog sich seine Rede bis Mitternacht hin. 8 Es brannten viele Lampen in dem Obergemach, wo wir beisammen waren. 

9 Ein junger Mann mit Namen Eutychus saß im offenen Fenster und sank, während Paulus immer weiter redete, in tiefen Schlaf und stürzte im Schlaf vom dritten Stock hinunter. Als man ihn aufhob, war er tot.

10 Paulus aber ging hinunter, legte sich auf ihn, umfasste ihn und sagte: Lasst das Geschrei! Er lebt! 11 Und er stieg wieder hinauf, brach das Brot und aß; und noch lange redete er mit ihnen, bis der Morgen anbrach; dann ging er fort. 12 Den jungen Mann aber holte man wieder herein; er lebte, und das erfüllte sie mit Zuversicht  (Apg 20, 7-12 (Zürcher)).

Meine Lieben! Zum Glück können Sie heute, wenn ich Sie langweile, nicht so tief in den Tod fallen. Und wir wissen auch gar nicht, ob Eutychus wirklich wegen einer schlechten Predigt einschlief oder weil er einen anstrengenden Tag hinter sich hatte, so wie wir gestern einen ganzen Tag das Gemeindegründungsfest begangen haben und Ihr und Eure Familien sicherlich manchen Stress mit den Vorbereitungen hattet. 

Auf Stress reagieren die Menschen verschieden. Die einen werden kindisch, andere hören nicht auf zu kichern (hoffentlich nicht gleich beim Abendmahl!). Wieder andere verbreiten Hektik oder jammern. Und wieder andere reden und ermahnen und quasseln ohne Ende. 

Unser Predigttext erzählt von solch einem Stress-Moment: einem Abschied und Neuanfang mit großem Fest. Der Text versetzt uns zurück in die Zeit der ersten Christengemeinden. Kleine Gemeinschaften, die entlang des nordöstlichen Mittelmeeres verteilt waren. Mit einer Truppe treuer Begleiter reist der Apostel Paulus von Gemeinde zu Gemeinde, um sie im neuen Glauben zu unterrichten. 

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In jeder Gemeinde kann er nur kurz Station machen. Wir hören vom letzten Abend bei der Gemeinde in Troas im heutigen Westen der Türkei. Alle haben sich zum Fest und zum Abschied in einem großen Wohnhaus versammelt. Andere Kirchen gab es damals nicht. Das Haus ist krachend voll. Und das, obwohl nicht einmal Weihnachten ist! Angespannt erwartet man die letzten Ermutigungen und Empfehlungen durch den Apostel. Es ist heiß und stickig. 

Stress und Erwartungen haben sich aufgebaut bis zum Anschlag. Der Apostel will unbedingt noch einiges loswerden. Er macht sich Sorgen. Hat er den Gemeindegliedern wirklich alles mitgegeben, was sie brauchen, damit sie nun den Alltag selbständig bestreiten können? Sind sie erwachsen und mündig genug, um sich im Glauben selbst zu bewähren? 

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Diese Leute stehen doch am Anfang ihres Glaubenslebens, wie Ihr Konfirmanden. Die Begeisterung des Anfangs, der Spaß in einer guten Gruppe, zwei tolle und nachdenkliche gemeinsame Fahrten, die „Feiern des Kirchenjahres“ im Vorstellungsgottesdienst – werden sie durch die Höhen und Tiefen des Lebens tragen? 

In diesem Augenblick, Geschwister im HERRN, macht der Apostel denselben Fehler, den nicht nur Pfarrer, sondern viele Erwachsene in solchen Situationen häufig machen: Er quasselt und quasselt. Stattdessen könnte er doch auch einfach sagen: „1. Habt keine Angst. Gott geht mit euch. Vergesst das nie. Gerade auch dann nicht, wenn‘s euch mal dreckig geht. Und 2. Leben ist kostbar. Es ist ein Geschenk Gottes – nicht nur euer eigenes, auch das der anderen. Passt gut darauf auf.“ 

Das erinnert mich an Eure beiden Konfirmationsverse. Für Emma: „Seid aber untereinander freundlich und herzlich, und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus“ (Epheser 4, 32). Und für Marlon: „Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin“   (1. Korinther 15, 10).

Mit diesen beiden Gedanken wäre eigentlich alles gesagt gewesen. Aber nein: Der Apostel quasselt und quasselt. Ein junger Mann mit Namen Eutychus – das heißt „der Selige“ – fällt in seligen Schlaf. Der Stress, die Erwartungen, die vielen Ermahnungen – es ist einfach alles zu viel. 

So ein schlafender Jüngling ist bei der Predigt eines großen Apostels nicht unbedingt ein gutes Zeichen. Denn wo landen die wichtigen Worte des Apostels, während der Jüngling schläft? Wird er sie dennoch im Herzen bewahren? Seid Ihr nach fast zwei Jahren Konfirmandenunterricht gefestigt genug, um als Christenmenschen in unsere Welt zu gehen?

Was kann nicht alles passieren. Schaut Euch nur Eutychus an. Er schläft nicht nur. Er stürzt. Er fällt hinaus aus dem Halt der Gemeinde. Und wenn Ihr eines Tages den Boden unter den Füßen verliert? Je älter Ihr werdet, umso mehr müsst Ihr auf eigenen Füßen stehen. Werdet Ihr genug Glauben, Vertrauen, Wurzeln haben, um nicht aus der Gemeinschaft herauszufallen? 

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Ich hoffe aber, dass wir Euch vermitteln konnten, dass Ihr gerade in den Krisen des Lebens immer wieder zu uns zurückkommen könnt und wir gemeinsam nach einer Perspektive suchen werden.

Meine Lieben! Paulus legt sich auf den toten Eutychus. Er umarmt ihn. Berührt ihn körperlich. Gibt ihm das, was auch wir Euch nachher geben werden: Gottes Segen, eine zärtliche Umarmung. „Regt euch nicht auf. Macht nicht so ein Geschrei. Der Junge lebt“. Was ein Segen. 

Da können wir doch aufatmen: Ihr geht nicht verloren. Denn diesen Segen, den Beistand Gottes nehmt Ihr auf jeden Fall mit. Der Kraft des Evangeliums, der guten Botschaft von Jesus Christus und der Liebe Gottes, in die Ihr in diesen zwei Jahren eingetaucht seid, können wir vertrauen. Wie es eben auch in Deinem Vers, liebe Nele heißt: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“  (1.Johannes 4, 16).

Paulus geht wieder zurück ins Obergeschoss zur versammelten Gemeinde. Er redet und feiert mit den Leuten bis zum Morgengrauen. Dann bricht der Apostel Paulus auf. „Den jungen Mann aber holte man wieder herein; er lebte, und das erfüllte sie mit Zuversicht“, heißt es am Ende der Geschichte. Darauf freuen wir uns: Dass wir Euch immer mal wieder hereinbitten dürfen. Dass wir darauf vertrauen können, dass Ihr gelegentlich bereit sein werdet anzuecken, wenn es gilt, das Lebensrecht anderer zu verteidigen. Vor allem aber: Dass Ihr Euch immer getragen und begleitet wisst von der Liebe Gottes. 

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Solltet Ihr daran wirklich einmal zweifeln, dann sucht nach einem Haus wie diesem mit Turm und Glocken. Ihr werdet Euch erinnern: In solchen Gebäuden versammeln sich Menschen, die auch in schwierigen Zeiten Gewissheit und Frieden in Gott finden. Dort empfangt Ihr die heilende Kraft der Liebe Gottes, die der selige Eutychus erfahren hat. 

Heilige Gottes, das war es nun fast mit meiner Predigt. Und es ist gute Sitte, dass ich am Ende immer einmal kurz auf mein eigenes Leben eingehe. Ich wurde vor 4 Dekaden an Pfingsten geboren und vor 27 Jahren in einem unbedeutenden Dorf konfirmiert. Ich hatte einen Konfirmator, der wirklich langweilig predigte, aber statt einzuschlafen, haben wir manchen Blödsinn im Gottesdienst gemacht und da flog auch dann und wann einmal ein Liederheft quer durch die Kirche, um für Ruhe zu Sorgen.

Erst Jahre später, nach einer durchaus abwechslungsreichen Glaubensreise, ging mir ein Licht auf, was Paulus uns eigentlich sagen wollte: „Glaubt an Gott und glaubt an Euch, dann wird vieles möglich sein.“ Und das erinnert mich ganz stark schließlich an den Konfirmationsvers von Dir, liebe Alicia: „Alles ist möglich dem, der da glaubt“ (Markus 9, 2 ).

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Auch wenn ich den einen oder anderen Glaubenszweifel immer wieder habe, ich habe noch keinen Tag bereut, Gott die Treue gehalten zu haben. Und dabei habe ich gespürt und gesehen, dass Gott in meinem Leben wirkt – vielleicht nicht immer so, wie ich es wollte. Aber ich habe oftmals die Augen geöffnet bekommen und durfte manchen meiner Träume Wirklichkeit werden sehen. 

Vielleicht habt Ihr manche gute Predigt verschlafen und manch guten Gedanken im Unterricht nicht mitbekommen – Schwamm drüber. Aber wir hoffen, dass wir Euch die wesentlichen Dinge eingepackt haben für Eure Lebensreise: Glaube an Gott, Treue in großen und kleinen Dingen, gnädig sein und Gnade erleben, füreinander einstehen und Verantwortung übernehmen und Liebe, die nicht nachträgt und immer wieder nach vorne schaut.

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Erinnert Euch immer wieder an Euren Konfirmationsspruch, meiner gibt mir Halt und Ziel:  „Weise mir, HERR, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte.“

Darauf vertraue ich und bezeuge es im Namen Jesu Christi. AMEN!

Pfarrer Torben W. Telder, vdm

– Es gilt das gesprochene Wort –